Die Martin-Luther-Straße in Holsterhausen hieß vor 1953 noch Königstraße – Zank begleitete die Umbenennung, denn einige katholische Anwohner wollten diesen Namen nicht

Noch nicht so bebaut wie heute: Königstraße bzw. Martin-Luther-Straße Anfang der 1950er-Jahre

Von Wolf Stegemann

30. März 2018. – Der Name Steinmeier ist wegen des gleichnamigen Bundespräsidenten Frank-Walter mittlerweile bundesweit geläufig. In Dorsten-Holsterhausen war in den 1950er-Jahren dieser Name ebenfalls bekannt. Denn August Steinmeier, ein Cousin Walter Steinmeiers aus Brakelsiek im Lipper Land, Vater des eingangs genannten Bundespräsidenten, kam als zweijähriges Kind mit den Eltern 1910 nach Holsterhausen. Er war als Schreiner bei der Baufirma Schaub beschäftigt, ansonsten in etlichen Ehrenämtern aktiv wie im Dorstener Stadtrat und von 1948 bis 1951 als Presbyter in der evangelischen Martin-Luther-Kirche. Er war Schöffe beim Landgericht Essen, Mitglied im Gesangsverein und im evangelischen Kirchenchor, war im Jünglingsverein und hat immer wieder für die Kirche Geld gesammelt. Er setzte sich stets und auch erfolgreich für das Allgemeinwohl ein. Die Familie wohnte in der damaligen Kronprinzenstraße, heute Breslauer Straße, wo dessen Tochter Liselotte, verwitwete Topp und Großcousine (Cousine 2. Grades) des Bundespräsidenten, heute mit 80 Jahren noch lebt. Ihr Haus, gleich neben ihrem Elternhaus, hat zwei Eingänge: Einer von der Breslauer Straße und einer von der Martin-Luther-Straße, die bis 1953 Königstraße hieß. Für deren Umbenennung kämpfte ihr Vater August Steinmeier. Seine Tochter, die 1951 konfirmiert wurde, erinnert sich: „Mein Vater war ein Kämpfer. Überspitzt gesagt kämpfte er für jede Straßenlaterne. Er kümmerte sich als Stadtrat aber auch darum, dass in Holsterhausen damals die Straßen geteert wurden.“ Als er 1998 in Holsterhausen starb, kam zu dessen Beerdigung im Waldfriedhof Holsterhausen sein noch lebender Cousin Walter mit Sohn Frank-Walter. Weiterlesen

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Schreibenlernen nach Gehör: Was ein pädagogisches Konzept von einer ärztlichen Behandlungsmethode unterscheidet

Schreiben nach Gehör

Kommentar von Helmut Frenzel

23. März 2018. – Kürzlich erschien in der „Dorstener Zeitung“ ein Artikel unter dem Titel „Richtig schreiben lernen – nur wie?“ Es ging um die Methode des Schweizer Pädagogen Jürgen Reichen, die bei ihm „Lesen durch Schreiben“ heißt, in der Öffentlichkeit besser bekannt als „Schreiben nach Gehör“. Sie wird in Nordrhein-Westfalen flächendeckend angewandt, um den Grundschülern die Rechtschreibung beizubringen. Viele Eltern, und nicht nur sie, klagen über mangelnde Kenntnis der Rechtschreibung am Ende der Grundschulzeit. Ein Stein des Anstoßes ist, dass in den ersten Jahren Rechtschreibfehler nicht korrigiert werden, – um die Kinder nicht zu demotivieren, wie es heißt. In den späteren Jahren bemüht sich die Schule dann darum, den Schülern die fehlerhaften Schreibweisen, die sich längst in ihren Köpfen festgesetzt haben, wieder abzugewöhnen – nicht immer mit Erfolg. Lernen ist einfach, Umlernen ist schwierig – auf diesen Nenner brachte es ein Beitrag auf facebook. Die Eltern, die mit den Folgen mangelnder Rechtschreibkenntnis ihrer Kinder am Ende der Grundschulzeit leben müssen, lehnen die Methode nahezu einhellig ab. In einer nicht repräsentativen Umfrage der DZ sprachen sich 89 Prozent der Teilnehmer für ihre Abschaffung aus. Weiterlesen

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Die Gießformen von Einsteins Kopf der Künstlerin Tisa von der Schulenburg (Sr. Paula) geben weiterhin Rätsel auf – eine höchst verwirrende Spurensuche

Aus eigenem Miterleben erzählt von Wolf Stegemann

16. März 2018. – Was verbindet die Künstlerin und Nonne Tisa Gräfin von der Schulenburg (†), den früheren Geschäftsführer des Max Planck-Instituts Dortmund Dr. Plesser, Dortmunds vormaligen OB Keuning (†), den Kurator des Skulpturenmuseums Marl Stephan Wolters und den Dorstener Journalisten Wolf Stegemann? Einsteins Kopf!

Wer Tisa von der Schulenburgs Werksverzeichnisse durchsieht, übersieht leicht einen Kopf, nämlich den des Physikers Albert Einstein. Tisa Gräfin von der Schulenburg lebte von 1950 bis 2003 als Sr. Paula und künstlerische Nonne im Ursulinenkloster in Dorsten. Der Kopf, den sie hinterließ, wird leicht übersehen, nicht, weil Sr. Paula eine überaus fleißige Kunst-Produzentin war, sondern weil es zu ihrem Einstein-Kopf in Büchern und Verzeichnissen im Gegensatz zu ihren Themen Holocaust, Flüchtlinge 1945, Lepra oder zu ihrem Adenauer-Kopf, so gut wie keine Informationen gibt. Die Texterklärungen zu dem Kopf sind karg oder gar nicht vorhanden. Das scheint sich nun zu ändern, wenn auch in verwirrendem Maße. Dementsprechend mag auch diese Geschichte hier und da für den einen oder anderen Leser verwirrend erscheinen. Was ist geschehen? Weiterlesen

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Paul Hunekuhl – Ein exotisches Leben par excellence: Dorsten, Philippinen, New York. Der Petrinumschüler erschoss auf dem Schulweg eine Kuh, fuhr zur See und wurde 1916 US-Bürger

Von Wolf Stegemann

9. März 2018 – Vor kurzem haben wir darüber berichtet, wie die Elisabeth-Hunekuhl-Straße 1955 zu ihrem Namen gekommen war und warum sie wieder in Nonnenstiege zurück benannt wurde. Das hat auch viel mit der bis zum Ersten Weltkrieg in Dorsten ansässigen Familie Hunekuhl zu tun. Die Söhne jener Elisabeth Hunekuhl – Hermann, Hans und Paul – besuchten das Gymnasium Petrinum. Einer von ihnen, Paul, führte ein ziemlich exotisch-abenteuerliches Leben. Er wurde 1888 in Jülich geboren, war Seemann, Kaufmann, Fabrikbesitzer, lebte auf den Philippinen und ab 1916 als US-Staatsbürger in New York, vergaß seine alte Heimat nicht und starb 1944 in New York.
Wie eingangs bemerkt, ist der Name Hunekuhl in Dorsten nicht unbekannt. Von 1955 bis 1989 gab es in der Altstadt eine „Elisabeth-Hunekuhl-Straße“. Elisabeth Hunekuhl war seine Mutter. In Dorsten drückte Sohn Paul auf dem Gymnasium Petrinum die Schulbank, wie seine Brüder Hans (*1891) und Hermann (*1900) auch. Die Familie wohnte an der Gahlener Straße und zog vor oder nach dem Ersten Weltkrieg von Dorsten nach Vreden um. Zum Abitur gelangte Paul Hunekuhl allerdings nicht. Denn sein Vater Bernhard Hunekuhl, ein als herrisch bekannter Mann, nahm ihn vorzeitig und in einer zornigen Aufwallung von der Schule. Der Grund? Zur Stammtischrunde des Vaters gehörte ein Lateinlehrer des Gymnasium Petrinum, den die Schüler Hans und Paul im Unterricht hatten und der ihnen sehr „unangenehm“ war. Er erzählte Pauls Vater, dass sein Sohn Paul – warum und mit welcher Waffe ist nicht bekannt – auf seinem an Wiesen entlang führenden Schulweg eine Kuh erschossen hatte. In der Familie erinnerte man sich daran: „Das führte zu einem Riesen-Aufruhr in der Schule, so dass der Vater seinen Sohn kurzerhand vom Gymnasium nahm und zur Marine steckte. Paul kehrte von Heimweh geplagt bald nach Dorsten, aber nicht auf die Schulbank zurück und begann eine Kaufmannslehre. Der erwähnte Lateinlehrer, obwohl Geistlicher, war allzu prügelfreudig und wurde von Paul und Hans gehasst. Er verstärkte Pauls Skepsis gegenüber der Kirche, deren untadeliges Bild schon in seiner Kindheit durch die unsensiblen Fragen eines bigotten Beichtvaters einen Riss bekommen hatte.“ Weiterlesen

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Mercaden in der Krise. Für einen Neustart wird der Investor noch einmal Geld in die Hand nehmen und das Center zu Ende bauen müssen – Eine Garantie für Erfolg ist auch das nicht

Mercaden – wie geht es weiter? Foto: Stegemann

Von Helmut Frenzel

3. März 2018. – Es kam wie zu erwarten war. Mit dem Jahreswechsel und dem Beginn der traditionell umsatzschwachen Monate schlossen mehrere Betriebe im Mercaden. Zu schlecht liefen die Geschäfte – da ist dann irgendwann einmal Schluss. Es traf insbesondere das Erdgeschoss mit seinen „Garagenläden“. Die verlassenen Ladenlokale gesellen sich zu den schon vorhandenen Leerständen hinzu und vermitteln insgesamt das hässliche Bild des Misserfolgs. Der Projektentwickler Herbert Krämer, der nach der Eröffnung im März 2016 auch das Center Management übernommen hatte, wurde im Dezember kurzerhand geschasst. Der Investor traute ihm nicht mehr zu, die negative Entwicklung zu drehen. Investor ist die OFB Projektentwicklung GmbH, eine Tochtergesellschaft der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Sie hat die Finanzierung für das Centerprojekt bereitgestellt und als Geldgeberin das letzte Wort. Die schlechte Lage zwang zum Handeln und so beauftragte sie die Koprian iQ Management GmbH mit der Lösung des Problems. Die Gesellschaft ist spezialisiert auf das Management von Einkaufszentren und auf Revitalisierung. Koprian iQ soll nun schaffen, was Herbert Krämer nicht fertiggebracht hat: das Mercaden auf Erfolgskurs bringen. Weiterlesen

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Warum wurde 1955 die Nonnenstiege in Elisabeth-Hunekuhl-Straße umbenannt und 1989 wieder zurück? Eine Straßenbenennung mit nicht ganz astreiner Begründung

Elisabeth-Hunekuhl-Straße, frühere und jetzige Nonnenstiege in den 1950er-Jahren

Von Wolf Stegemann

23. Februar 2018. – Über die Namensgeberin Elisabeth Hunekuhl gibt es nicht viel zu berichten. Aus Dorstener Sicht müsste man das auch nicht, wenn es von 1955 bis 1989 nicht eine „Elisabeth-Hunekuhl-Straße“ in der Altstadt gegeben hätte. Elisabeth Hunekuhl, gestorben 1935, lebte zwar als Ehefrau und Mutter ein paar Jahre, vermutlich bis zum Ersten Weltkrieg, in Dorsten, hatte allerdings keine Beziehungen zu Stadt, war weder berühmt noch sonst irgendwie öffentlich bemerkenswert und auch nicht weiter bemerkbar. Warum also Elisabeth-Hunekuhl-Straße? Diese Unbenennungsgeschichte der Straße ist Wolfgang L. Rüdiger, weitläufig verwandt mit der Familie Huhnekuhl, nachgegangen, hat sie in Zusammenarbeit mit dem damaligen Leiter des Dorstener Vermessungsamts, Dipl.-Ing. G. Rojahn, detailfreudig in Archiven, Behörden und in der Familie Hunekuhl recherchiert und dabei etliche Ungereimtheiten entdeckt. Weiterlesen

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Blick in die Partnerstadt Hainichen und die Jahre von 1933 bis 1945: Frühe Konzentrationslager und späte Aufarbeitung der nationalsozialistischen Zeit

Zwangarbeiter des Konzentrationslagers Hainichen-Mühlberg

Von Wolf Stegemann

16. Februar 2018. – Schlägt man in der Literatur nach, wie die nationalsozialistischen Jahre in Dorstens Partnerstadt Hainichen verlaufen sind, dann findet der Leser in den bis zur Wendezeit erschienenen Veröffentlichungen nicht viel. Meist sind es drei bis fünf Eintragungen, die an Jahreszahlen festgemacht sind: „Vom März bis Juni 1933 diente das Volks- und Sportheim den Faschisten als ,Schutzhaftlager’, als KZ also. – 1934 Eröffnung der ,Framo-Werke GmbH’ Hainichens. – 1935 Anlegen der Blumenuhr, ein Geschenk der Gellerttische“ anlässlich der 750. Jahrfeier der Stadt.“ Auch nach der Wiedervereinigung 1990 kam es jahrelang nicht zu einer Auf- bzw. Nacharbeitung der nationalsozialistischen Jahre in der Geschichte der Stadt. Diese kam erst ab der Jahrtausendwende in Gang. Im Fokus westdeutscher Forschung stand das frühe KZ der SA in Hainichen schon länger, erst später die veröffentlichten Erinnerungen von älteren Einwohnern oder deren Söhnen und Töchtern in Hainichen selbst. Die Katholische Jugend im Landkreis Mittweida erforschten die Schicksale katholischer Pfarrer in Hainichen und erarbeitete eine Ausstellung, die 2007 im Rathaus von Hainichen unter dem Titel „Pfarrer unserer Gemeinde – erste Opfer des NS-Regimes“ zu sehen war. Die beiden Hainichener Konzentrationslager bisher ist nur von einem KZ die Rede sind von Historikern in den 1990er-Jahren gut erforscht und dargestellt. 2009 legte der damals 31-jährige Journalist Thomas Kretschmann ein Buch mit dem etwas spröden Titel „Hainichen – Zeitzeugen-Berichte und Dokumente 1930 – 1950“ vor, das er selbst verlegte. Darin ging er auf 230 Seiten „vergessenen Schicksalen“ nach. Angeregt wurde der Herausgeber durch seine Großmutter, die, wie viele Neubürger Hainichens, als Flüchtling aus Ostpreußen kamen. Ihre Geschichte ist in dem Buch ebenso für die Nachwelt dokumentiert wie die Existenz zweier Konzentrationslager in Hainichen und der Einmarsch der Roten Armee sowie die Versorgungsnöte danach. Weiterlesen

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