Brunnen-Debatte (IV): Leserbriefe an die „Dorstener Zeitung“ – die darin fast durchgängig harsche Kritik an der Verwaltung und Politik sollte hellhörig machen

15. Juli 2020 / W. St. – Das Entfernen des Tisa-Brunnens am Markt durch die Verantwortlichen im Rathaus – wir berichteten darüber – hat bei der Dorstener Lokalzeitung einen Ansturm an Leserbriefen ausgelöst mit einer vorher nicht dagewesenen heftigen Kritik. Wir haben die Leserbriefe an die „Dorstener Zeitung“ zusammengestellt, damit sich unsere Leser/innen ein zusammenhängendes Bild über die Meinungen der DZ-Leserbrief-Schreiber machen können. Leserbriefe schreiben, sie veröffentlichen und lesen, ist – so die Medienforscher – eine professionelle Form der Kommunikation. Leserbriefe, die es in der Geschichte des Journalismus seit dem 18. Jahrhundert gibt, können aber noch mehr: Sie rücken wichtige Themen ins öffentliche Bewusstsein. Von Theo Sommer, Historiker und Publizist, früherer Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, stammt die Aussage: „Die Presse spiegelt in Leitartikeln und Leserbriefen zugleich die Stimmung des Menschen wider.“ Im Falle des Tisa-Brunnens sollten auch die Lokalpolitiker auf diese Stimmung hören.

Eine der vielen Brunnen-Artikel in der Dorstener Zeitung vom 7. März 2020

B. und Ernst-Rudolf Sch. am 9. März zum Artikel „Was passiert mit dem Brunnen auf dem Marktplatz in Dorsten?“:

Beim Lesen der Dorstener Zeitung waren wir richtig erschrocken, als wir von den dort diskutierten vier Optionen zum Tisa-Brunnen lasen: Wir sind häufige Nutzer der seit einigen Jahren vorhandenen vortrefflichen Außengastronomie auf dem Markt. Dass „der Brunnen von der Außengastronomie verdeckt ist“, stimmt nicht. Er ist voll integriert und wird von Kindern der Besucher gern zum Spielen mit Wasser benutzt. Er muss genau an dieser Stelle auf dem Markt bleiben: saniert, sprudelnd, im Zentum (in unmittelbarer Nähe des Alten Rathauses) und nicht in der Innenstadt am Lippetorplatz oder am Platz der Deutschen Einheit, nicht auf dem Zechengelände neben dem Förderturm und nicht unter Aufgabe der Brunnenfunktion durch Ausstellung der Relief-Platten am Tisa-Archiv oder im Umfeld des St. Ursula-Klosters. Der Tisa-Brunnen sollte unter Denkmalschutz gestellt werden, um ihn als wichtiges Zeitdokument und die Geschichte Dorstens darstellendes Kunstobjekt der Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg/Schwester Paula in seiner Funktion am Standort zu erhalten.

Irmgard K. am 21. März zum Artikel „Standortbeibehaltung Tisa Brunnen“:

Der Schwester-Paula-Brunnen gehört zum „historischen“ Stadtbild wie zum Beispiel unser altes Rathaus am Markt. In den letzten 60 Jahren haben sich alt und jung an diesem Dorstener „Kulturgut“ erfreut. Es ist ein Wahrzeichen unserer Stadt! Bereits eine Online-Umfrage hat deutlich gezeigt, was die Dorstener Bürger von Ihren Überlegungen halten. Besteht nicht etwa die Möglichkeit, mehr Sponsoren zu finden, die sich an den Kosten der wasserführenden Brunnentechnik beteiligen und an den laufenden Unterhaltskosten?

Heinz Josef F. am 18. Juni zum Artikel „Diskussion zum Tisa-Brunnen“:

Mit fassungslosem Erstaunen habe ich zur Kenntnis nehmen müssen, dass zumindest Teile der Verwaltung und auch des Rates den Tisa-Brunnen von seinem angestammten Platz entfernen und aus der Stadt werfen wollen. Erst wurde angekündigt, dass der Brunnen selbstverständlich wieder auf seinen alten Standort gestellt würde. Dann wurde der Standort einfach überpflastert. Jetzt ist als neuer Standort das Zechengelände im Gespräch.

Gerhard Sch. am 22. Juni zum Artikel „Kunstbeirat will Tisa-Brunnen nirgendwo in Dorsten wieder aufbauen“:

Es scheint, als seien die Würfel gefallen: Beraten von der Bauverwaltung kam der Kunstbeirat zum Ergebnis, „die Reliefplatten des Brunnens zu sichern und auszustellen.“ Der Beirat empfiehlt, „den Brunnen nicht wieder aufzubauen, da nicht der Brunnen als Bauwerk an sich, sondern die Reliefplatten von Tisa von der Schulenburg als Kunstwerk zu betrachten sind.“
Im August 2014 sah man das auch im Rathaus anders. Da hieß es in einer Vorlage für den Bauausschuss: „Nach Aufstellung des Haushaltssanierungsplanes musste festgestellt werden, dass die prägende Bedeutung des Marktplatzes und der Brunnen nicht hinreichend gewürdigt wurde. So stellt der u. a. durch die Brunnen charakterisierte Marktplatz eine wesentliche Bereicherung für die Attraktivität der Altstadt dar. Sie ist eng verbunden mit der Künstlerin und Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg und ein Denkmal als historische Komponente der Innenstadt.“ Die Brunnen wurden vom Rotstift verschont – bis heute richtig.
Als Schwester Paula 1972 Ehrenbürgerin wurde, hielt Ludwig Poullain die Laudatio. Er hatte Schwester Paula Anfang der 1960er-Jahre überzeugt, dass der Marktplatz unvollständig war. Poullain: „…Ein Marktplatz, umgeben mit nachempfundenen Treppengiebeln ohne unmittelbar historische Vorbilder. Lediglich historisierend. Restauration also und Chippendale in Stein gemauert.“ Für diesen Markt gestaltete Schwester Paula den Brunnen. Eindrucksvolle Reliefs und ein Wasserspiel, das den Zeitläufen gleich über provozierenden Text läuft. Ein zeitkritischer Brunnen als Kontrapunkt zum Versuch, „mit dem historisierenden Wiederaufbau anzuknüpfen an die heile Zeit“ (Poullain).
Ob der Brunnen metergenau wieder steht, wo er gestanden hat, spielt keine Rolle, aber er gehört auf den Markt und nicht in Einzelteilen an eine Wand.
Poullain beendete 1972 seine Laudatio: „Diese Stadt hat sich mit dieser Ehrenbürgerschaft Ehre angetan.“ Das Verhalten jetzt ist respektlos. Gegenüber der 2001 verstorbenen Tisa von der Schulenburg, gegenüber dem Anliegen dieses Brunnens, auch gegenüber der Stadt Dorsten.

Rolf J. am 22. Juni zum selben Artikel:

Ich wundere mich schon seit Langem über die Diskussion um den Verbleib des Tisa-Brunnens. Da wird von hochbezahlten Stadtplanern und sonstigen Experten ein kompletter Innenstadtumbau geplant und schließlich auch durchgeführt. Plötzlich stellt man kurz vor der Beendigung der Maßnahme am Markt fest: „Hoppla, da ist ja noch ein Brunnen! Was machen wir denn damit?“ Aus lauter Verlegenheit (oder etwa Scheinheiligkeit) wird dann die Bevölkerung gefragt? Verantwortung für die Fehlplanung übernimmt natürlich auch niemand. Schließlich kommt der Kulturbeirat zu Hilfe und empfiehlt, den Brunnen nicht mehr aufzubauen? Kein Wunder, dass im öffentlichen Bauwesen beinahe alle Projekte teilweise sehr viel teurer werden und sehr viel länger bis zur Fertigstellung brauchen.

Heinz Josef L. am 24. Juni zum Artikel „Diskussion zum Tisa-Brunnen“:

Als sich herausstellte, dass sich im Holzkern der Goldenen Madonna des Essener Münsterschatzes ein Holzwurm eingenistet hatte, ist niemand auf die Idee gekommen, statt einer Sanierung des Kerns das Goldblech der Figur abzunehmen, es zu plätten und mit der Begründung, der Kern sei keine Kunst, an die Wand zu nageln.
Genau dieses wird jetzt vorgeschlagen, die Trennung zwischen Kern und Kunst. Die seinerzeitige Beauftragung an die Künstlerin war die Schaffung eines Brunnens und nicht die künstlerische Gestaltung eines Bauwerkes. Der Brunnen ist in seiner Gesamtheit das Kunstwerk und die Platten sind nicht so etwas wie beliebig austauschbare Kunst am Bau. Ich befürchte, dass durch den erfolgten Abbruch des kompletten Brunnens das Kunstwerk in seiner Gesamtheit (inklusive der farbigen Mosaiksteine des Inneren) bereits jetzt irreparabel zerstört wurde. Wenn das so sein sollte, dann wäre der Vorschlag des Beirats allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Schadensbegrenzung zu beurteilen.
Das sollte man dann aber auch so artikulieren und nicht versuchen, über eine Neuinterpretation des künstlerischen Nachlasses eine vordergründige Begründung für die Schaffung anderweitig nutzbaren Platzes zu liefern.

Werner M. am 25. Juni zum selben Artikel: „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Recht haben Marion T., Gerhard Sch. und Heinz Josef F. mit ihren Anmerkungen zur Beseitigung des Tisa-Brunnens. Wer nur Kosten als Argument hat gegen die Sanierung und Aufstellung des Brunnens am alten Standort, sollte und kann zukünftig nicht mehr ernsthaft von der Bedeutung einer Erinnerungskultur in Stadt und Land sprechen.

Rainer K. am 25. Juni zum Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Ohne den Tisa-Brunnen werde ich mich vielleicht an den ehemaligen Standort seiner Zeit erinnern. Ich werde ein Stück weit dankbar zurückschauen, mich erinnern, wie meine Kinder das kühle Nass an ihren Füßen erfahren haben, während ich mir bei einer Tasse Kaffee in der Sonne genug war. An den textlichen Inhalt des Brunnens werde ich mich nicht erinnern. An die Reliefplatten – vielleicht.
Wenn mich die Geschichte Dorstens und das Schaffen der Tisa näher interessiert, so will ich mich dann aufmachen und den Ort aufsuchen, an dem ich das in der Zukunft neu entdecken darf. Ich will diesen Ort suchen und finden, in der Hoffnung, dass er den genügenden Respekt erfährt, den Sr. Paula für ihr Schaffen ohne Zweifel verdient.
Dort werde ich lesen, den längst vergessenen Text. Mich besinnen und vielleicht ist mir dann auch klar, dass es auch meine – und die Kinderfüße meiner Schützlinge waren, die diese Schriftplatten so geprägt haben und mit dazu beigetragen haben, das der damalige Brunnen, wohlmöglich vorzeitig, eine neue Bestimmung bekommen hat. Der Brunnen, der unserer Zeit gedient – und unser Stadtbild ein Stück weit mit geprägt hat.
So ist das mit der Zeit. So ist das mit Vergänglichkeit. So ist das mit dem Loslassen. Alles darf gehen … zu seiner Zeit. So entsteht Neues, so entsteht Wachstum, so entsteht – Kultur. Mit großer Wertschätzung und Vorfreude auf das, was kommen mag. Wird der Brunnen wieder aufgebaut?! So ist es dann (wieder) nur eine Frage der Zeit. Und nichts hat sich geändert. Erst mal

Werner A. am 25. Juni zum selben Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Mit Recht wenden sich Dorstener Bürger gegen das Vorhaben der Stadt, den von Schwester Paula gestalteten Stadtbrunnen von seinem Standort auf dem Marktplatz zu entfernen. Schwester Paula hat den Brunnen nicht für einen Standort auf dem Zechengelände gestaltet, hier ging es ihr um Themen, die den Bürger ansprechen. Ursache für eine Beschäftigung mit dem Brunnen ist nicht die Neugestaltung des Marktplatzes, sondern die Tatsache, dass die Stadt Dorsten über Jahrzehnte es an jeder fachgerechten Unterhaltung des Brunnens hat fehlen lassen. Dieser Fehler ist für die Stadtverwaltung nicht untypisch, auch die „Germania“, ein Denkmal, durch das der im Krieg gefallene Bürger der Stadt Dorsten gedacht wurde, hat die Stadt verrotten lassen. Die Entfernung des Brunnens ist respektlos. Sie nimmt dem Kunstwerk die Umgebung, für die es geschaffen ist. So missachtet man nicht eine künstlerische Intention, so geht man auch nicht mit einer anerkannten Künstlerin und einer Ehrenbürgerin der Stadt um. An dieser Beurteilung kann auch die unqualifizierte Empfehlung des sogenannten Kunstbeirats nichts ändern. Es ist außerdem wünschenswert, dass der Bürgermeister seine persönliche Meinung mitteilt, statt sich hinter dem Rat zu verstecken.

Britta L. am 27. Juni zum Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Der Brunnen wurde vor 60 Jahren von Künstlerin Schwester Paula gestaltet, wurde mithilfe eines bekannten Betonbetriebs in der Feldmark entsprechend umgesetzt und der Stadt geschenkt, um geschichtsträchtige Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Geschichte hält man in Denkmälern fest, damit viele folgende Generationen sich bilden können. Und ein geschenktes Denkmal muss man besonders pflegen, damit es die lange Zeit überstehen kann. Das hat die Stadt leider nicht getan. Warum? Der Tisa-Brunnen wurde am äußeren Rand des Marktplatzes aufgestellt, außerhalb der damals üblichen Befahrung.
Mittlerweile hat sich die Nutzung des Marktplatzes total verändert und der Brunnen ist plötzlich für die Gastronomie und bei Veranstaltungen im Weg.
Was war denn zuerst da? Der Brunnen gehört weiterhin an seinen angestammten Platz, genauso wie der Marktplatz nie woanders sein kann. Er sollte entsprechend restauriert und für die Nachwelt erhalten werden und aufgestellte Esstische sollten ihn nicht allzusehr einkesseln. Altes in Neuerungen zu integrieren ist eine schwierige Herausforderung, aber sicherlich machbar.

Irmgard und Wenzel B. aus Erle am 29. Juni zum Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Vorweg: der Tisa-Brunnen muss auf dem Markt erhalten bleiben, Punkt! Zum ersten Mal im diesseitigen Leben mischen wir uns in eine kulturpolitische Diskussion ein.  Wir, zwei Erler Bürger, nicht aus Dorsten stammend, lesen in der Dorstener Zeitung von dem unglaublichen Streit um den Tisa-Brunnen.
Wir kannten Tisa viele Jahrzehnte. Sie wurde uns die beste Freundin. In ihren letzten Lebensjahren kam sie fast wöchentlich zu uns aufs Land. Sie liebte ihre Kunst, sie liebte Dorsten und den Bergbau. Aus dieser Liebe entstand der Brunnen am Markt: ein Gesamtkunstwerk.
Was würde Tisa uns zu dem Streit heute sagen: „Einfach unmöglich!“ Von Herzen aber wäre sie tief enttäuscht. Den Abriss des Brunnens hätte sie überstanden, wie andere furchtbare Begebenheiten in ihrem Leben auch. Tisa hatte eine klare Vorstellung über ihre künstlerische Arbeit, die Themen und Darstellungen und ließ sich niemals durch andere beeinflussen. Sie hat diesen Charme der Vergänglichkeit, den sie bei ihrem Brunnen ja selbst noch miterlebt hat, gemocht. Warum also nicht vom Ist-Zustand Abdrücke machen und das Gesamtkunstwerk damit würdig erhalten? Leider gibt es keinen Draht zu ihrer Meinung im Himmel, wir vermuten jedoch folgende Gedankengänge: Zum einen „Vergesst meine Urheberschaft nicht!“ und zum anderen „Um Gottes Willen keinen Tisa-Eintopf!“

Gerhard Sch. am 30. Juni zum Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Kaum ein Redner versäumte es in der Ratssitzung, den Beirat für Kunst im öffentlichen Raum für seine „mutige Entscheidung“ in Sachen Tisa-Brunnen zu loben; und Kritik an diesem Beirat sei unangemessen und respektlos. Tisa habe keinen Brunnen gestaltet, sondern Reliefplatten für einen Brunnen. Und überhaupt, so der Sprecher des Beirats in der Ratssitzung, sei Tisa ja eher die Künstlerin für Kleinteiliges gewesen, nicht die Künstlerin, um einen Raum wie den Markt zu erschließen. Also: Die Reliefplatten sichern und ausstellen, aber den Brunnen nicht wieder aufbauen. Und auch bitte keine Hollywood-Plastik-Replik für diesen Brunnen. Im Rat wurde noch kritisch angemerkt, man habe die Texte am Brunnen ja fast nur auf den Knien lesen können.
Der Brunnen von Schwester Paula war und ist Thema von Buchbeiträgen und Sonderveröffentlichungen. Sollten nicht alle Publikationen von und über Tisa allein schon aus Respekt gegenüber der Ehrenbürgerin wenn schon nicht in der Bibliothek dann aber doch im Stadtarchiv zu finden sein?
Dann könnte man dort nachlesen, was Tisa zu ihrem Brunnen zu sagen hatte, nämlich: „Ich wollte die Stadt selbst sich ausdrücken und bezeugen lassen. Der Brunnen einer Stadt ist ja so etwa wie ihr sozialer Mittelpunkt. Er müsste so sein, dass alle Einwohner der Stadt sich darin angesprochen und bezeugt sehen, dass sie spüren: Dies sind wir!“
Allein dieses Zitat – gefunden in einem spannenden Beitrag von Wolf Stegemann auf der Plattform www.dorsten-transparent.de – reicht, um die Bewertungen des Beirates als faktenfreie Spekulation zu entlarven. Der Beirat hat sich disqualifiziert. An seiner Entscheidung gibt es nichts zu loben. Das festzustellen ist nicht respektlos, sondern angemessen. Der Stadtrat hat nun hoffentlich die Größe, seinen auf falschen Annahmen basierenden Beschluss schnell zu reparieren. Dass der Brunnen durch eine gute Replik (bitte nicht auf neu getrimmt) ersetzt werden muss, sollte keine Frage sein.

Marlies V. am 30. Juni zum Artikel „Front wächst gegen Dauerabbau des Brunnens“:

So reich ist die Stadt Dorsten nicht an Exponaten und Denkmalen, die an die jahrhundertelange Historie erinnern. Der Sr.-Paula-Brunnen verknüpft zwei Aspekte: Einmal stellen die Plastiktafeln geschichtliche Ereignisse der Stadt, verbunden mit Bibelzitaten, dar, zum anderen erinnern sie an die große Künstlerin und Ehrenbürgerin Tisa von der Schulenburg, besser bekannt als Schwester Paula, die am Ursulinum unterrichtet hat und als Künstlerin weit über die Grenzen Dorstens bekannt ist.  Daher ist der Brunnen unbedingt zu erhalten. Möglicher Aufstellungsort am Zechengelände?
Nein, Schwester Paulas Brunnen gehört in die Originalstätte auf dem Marktplatz. Sicherlich schmerzen die Stadt die Renovierungskosten. Vielleicht lässt sich ein Fonds einrichten, um das Stadtsäckel zu schonen.

Rüdiger T. am 30. Juni zum selben Artikel „Front wächst gegen Dauerabbau des Brunnens“:

Mit Schrecken habe ich am 20. Mai gelesen, dass die Stadt es tatsächlich in Erwägung zieht, den Brunnen von Tisa nicht wieder an der Originalstelle auf dem Marktplatz aufzubauen. Der Brunnen ist ein Stück 20. Jahrhundert von Dorsten! Er gehört dort hin, wo er aufgebaut wurde. Alles andere würde bedeuten, der Stadt ein Stück Geschichte und Kultur wegzunehmen.
Als junger Schüler haben wir Ausflüge zum Brunnen gemacht, um über Dorstens Geschichte zu lernen. Versüßt mit einem Eis, haben wir unsere Stadt kennengelernt. Wir haben im Wasser geplanscht und unsere Eltern nach den Geschichten auf dem Brunnen gefragt. Später galt er als Treffpunkt oder auch nur als Sitz- oder Stehplatz bei zahlreichen Veranstaltungen, auch für unsere Kinder. Er bedeutet für mich ein Stück Leben in unserer Stadt. Außerdem repräsentiert er öffentlich einen Teil Dorstener Kunst. Ich fand es toll, dass an der gegenüberliegenden Seite vom Marktplatz ein weiterer Brunnen, der Geschichten erzählt, als Gegenpol gebaut wurde. Da waren mitdenkende Bürger am Werk. Die Innenstadt muss um ihre Geschichte herum gebaut werden. Eine noch so schicke und teure Verschönerung der Stadt wird diese nicht langfristig attraktiver machen, wenn der Charakter geopfert wird.

Franz K. am 3. Juli zum Artikel „Diskussion um Tisa-Brunnen“:

Wurde der Brunnen bereits verschrottet? Kann es sein, das die Brunnenbasis bereits durch einen etwas übereifrigen Radladerfahrer der Straßenbaufirma seine Endlösung in einem Bauschuttcontainer gefunden hat und die Stadtverwaltung deshalb in Erklärungsnot geraten ist? Anders kann man sich die vehemente Weigerung der Stadt, zur Wiederaufstellung des Gesamtkunstwerkes kaum erklären.

Wilhelm Zachraj (Ratsmitglied der Linken) am 3. Juli zum Leserbrief von Gerhard. Sch. Vom 30 Juni („Brunnen als Mittelpunkt“):

Bedauerlicherweise haben Sie nicht mitbekommen, das ich im Planungs- und Umweltausschuss und im Rat genau ihre Ansicht zur Neugestaltung des Platzes eingebracht habe. Allerdings begrüßte ich die Empfehlung des Beirates für Kultur im öffentlichen Raum, die Reliefplatten nicht mehr den Witterungen auszusetzen. Aus Sicht meiner Partei Die Linke ist es richtig, die Originalplatten und das Gesamtwerk dieser Ehrenbürgerin zu sichern und den Bürgern gesammelt zugänglich zu machen. Die vergangenen 60 Jahre haben den Reliefplatten stark zugesetzt. Würden sie jetzt wieder an einen Brunnen angebracht, wären sie wohl in 10 bis 15 Jahren ganz verloren. Diese Empfehlung ist also richtig. Bitte denken Sie daran, dieser Beirat ist ein ehrenamtliches Gremium, das sein Fachwissen unserer Stadt unentgeltlich zur Verfügung stellt.
Auch wir möchten aber auf dem Platz wieder einen Brunnen als, wie sie auch schreiben, sozialen Mittelpunkt für alle Einwohner und Besucher der Stadt. Der Dorstener muss sich nicht am Trevi-Brunnen, kann sich aber am Tisa-Brunnen verabreden. Wir möchten aus lauter Gewohnheit wieder einen Brunnen, aber als Replik. Herr Elben, Direktor des Skulpturenmuseums Marl, behauptete, es würde ihn an Hollywood erinnern. Doch ich denke nicht an Pappmasche, sondern eher an die Frauenkirche in Dresden oder das Stadtschloss in Berlin. Ich bin sehr zuversichtlich, dass die von Rat beschlossen Bürgerbefragung mich und Sie in unserer Ansicht, wir brauchen den Tisa-Brunnen, bestätigt.

Friedhelm Fragemann (SPD-Fraktionsvorsitzender im Rat) am 6. Juli allgemein zu den Artikeln und den Leserreaktionen:

Die mehrfach am Kunstbeirat geübte Kritik ist überzogen; sie wird in unnötiger Schärfe geführt, wenn die Qualifikation ausgewiesener Experten und ihr Urteil apodiktisch beiseite gewischt werden. Auf der anderen Seite wird in der öffentlichen Diskussion um den Tisa-Brunnen die Notwendigkeit der Sicherung der künstlerisch wertvollen Originalteile und ihre Präsentation in lesbarer Form (z.B. als Wandfries) nicht infrage gestellt. Dies war im Grunde auch die Quintessenz der intensiven Beratungen im Kunstbeirat. Der Äußerung eines Mitgliedes des Kunstbeirates, eine Replik hätte Disneyland-Charakter und sei deplatziert, muss man ja nicht folgen. Sie ist auch meines Erachtens ein Fehlgriff; auch Experten können irren. Entscheidend ist aber, dass die Bürger in der von mir vorgeschlagenen Bürgerbefragung, die auch Bestandteil des einvernehmlichen Ratsbeschlusses ist, für die Installation einer vollständigen Kopie des Tisa-Brunnens votieren und damit einen Schlusspunkt setzen können.

Gerhard Sch. am 7. Juli zum Artikel „Tisa-Brunnen: Rat beschloss den Abriss des Brunnens“:

Unter der Überschrift „Tisa-Brunnen: Stadtverwaltung wehrt sich gegen Vorwürfe“ wurde eine Stellungnahme der Stadtverwaltung veröffentlicht, in der behauptet wird, „dass keineswegs die Stadt Dorsten den dauerhaften Abbau des Kunstwerks betreibe“.
Wer diese Stellungnahme zu verantworten hat, möge doch bitte den einstimmigen (!) Ratsbeschluss vom 24. Juni nachlesen. Nichts anderes als der dauerhafte Abriss des Brunnens wurde dort beschlossen. Zudem legte der Rat fest: „Der Nachfolgebrunnen soll das Wirken von Tisa, z. B. unter Verwendung von Repliken bzw. Kopien der bisherigen Relief-platten oder von anderen Werken (z. B. Tisas Gedenksäule an die Widerstandskämpfer Geschwister Scholl), aufgreifen.“
Also: Einen „Nachfolgebrunnen“ kann es nur geben, wenn der „Vorgängerbrunnen“ abgerissen wurde und eine Replik wurde ausdrücklich nicht beschlossen.
Der von der Verwaltung kritisierte Leserbrief (Werner Arend, Ausgabe vom 25. Juni, also am Tag nach der Ratssitzung) hat korrekt den Stand der Dinge beschrieben. Die Verwaltung hingegen präsentiert mit einer Stellungnahme, die in Langform bereits am 25. Juni auf der Homepage der Stadt unter „Aktuelles“ veröffentlicht wurde, Nebelkerzen und (freundlich formuliert) alternative Fakten. Wenn die Verwaltung etwas klarstellen möchte, dann bitte erst einmal das, was der Rat beschlossen hat. Der Beschluss beginnt nämlich mit der Formulierung: „Die von Tisa von der Schulenburg für den Brunnen am Markt geschaffenen Originalkunstwerke („Reliefplatten“) …“  Aber: Die Dorstener Ehrenbürgerin Schwester Paula hat eben nicht Platten für einen Brunnen geschaffen, sondern ein Gesamtkunstwerk: den Tisa-Brunnen auf dem Marktplatz.

Dr. Hans-Jörg R. am 8. Juli zum Thema „Tisa-Brunnen und Stellungnahme der Stadt“:

Es ist schon einigermaßen ungeheuerlich, was sich diese Stadtverwaltung im Verantwortungsbereich des Herrn Lohse so leistet. Da stellen sich seine Fachämter, Geschichts- und Bürgerinteressen vergessend, am laufenden Band gegen die Bedürfnisse von weiten Teilen der Bevölkerung und wundern sich dann, wenn sich Bürgerinnen und Bürger gegen solche Art der Behandlung wehren. Sich dann auch noch hinzustellen und nach Art von „haltet den Dieb“ zu behaupten, es wäre nie um Geld gegangen und man habe sich ja nur einen Diskussionsüberblick verschaffen wollen, soll offensichtlich von verfehltem Verwaltungshandeln ablenken.
Ausgangspunkt der öffentlichen Diskussion war ja wohl die Behauptung, der Erhalt des Brunnens sei zu teuer und der Standort problematisch. Um ihn dann gegen den Widerstand aus der Bevölkerung durchsetzen zu können holte man sich das Votum eines Kunstbeirates ein, der im Geheimen tagte und auf der Basis eines Positionspapiers der Verwaltung gewünschte Argumentationen lieferte, zu denen er überhaupt nicht berechtigt war. Nach der Kommunalverfassung ist ein solcher Beirat nach meiner Kenntnis nicht vorgesehen. Schon gar nicht können in ihn Diskussionen verlagert werden, die öffentlich vom Rat zu führen sind. Wenn der Rat einem solchen Votum ohne breite Diskussion folgt kommt er seinen Aufgaben nicht nach. Ist zu erwarten, dass demnächst bei Reparaturen im oder um das bedeutende alte Rathaus auch der Kunstbeirat gefragt wird, ob das Gebäude aus künstlerischer Sicht nicht besser weg sollte?
Ich selbst bin einige Jahre im Lenkungsausschuss Gesundheit, Freizeit und Soziales der Internationalen Bauausstellung IBA Emscherpark gewesen. Ich habe dabei nie erlebt, dass eine Stadtverwaltung so geschichtsverleugnend mit ihrem kulturellen Erbe umgegangen ist wie die Verwaltung in Dorsten es jetzt versucht. Ähnliches passiert jetzt beim Ausschleichen aus der Internationalen Gartenbauausstellung 2027.

Marion T. (Kunsthistorikerin) am 9. Juli zum Artikel „Diskussion um den Tisa-Brunnen“:

Um einmal weiter im Sinne von Tisa selbst zu argumentieren, wie es sehr liebevoll, authentisch und überfällig schon Irmgard und Wenzel B. kürzlich an dieser Stelle taten, ist natürlich die Haltung einer Künstlerin ihrem Schaffen gegenüber ein maßgeblicher Faktor. Auch ich durfte Tisa kennenlernen und kann ihre kühne künstlerische Vehemenz nur unterstreichen. Das Morbide, auch das bewusste Herzeigen der Vergänglichkeit (und eben genau diesen Ist-Zustand des Brunnens kann man sehr wohl konservatorisch bewahren), hätte sie wertgeschätzt als Teil ihres Werkes. In einer an starker Kunst im öffentlichen Raum so betrüblich armen Stadt, in der auch schon andere öffentliche Kunstwerke still in der Versenkung verschwanden und stattdessen tatsächlich Hollywoodeskes dafür aufploppte, ist jedes Ringen darum also mehr als legitim. Ich stelle mich zudem freudig als Frau an die Seite dieser herrlich ganzheitlich tickenden, nicht korrumpierbaren und bei Missständen mutig niemals schweigenden Künstlerin.
„Alles auf dem kleinen Altar im Herzen“ gebaut, diesen innigen Satz fand ich 2005 als persönliches Bekenntnis in ihrem künstlerischen Nachlass, den ich in enger Kooperation mit dem ursulinischen Konvent, der Tisa-Stiftung und der Stadt eingeladen war zu durchforsten. Daraus entstand 2006 die gleichnamige, von mir kuratierte Ausstellung in der Dorstener VHS. Auf diesem ihrem inneren Altar zünde ich ab heute täglich ein Kerzchen an. Auch dafür, dass dieses Licht zumindest sicher den drohenden Eklektizismus eines von wem auch immer verantworteten „Folgekunstwerkes“ verhindern möge.

Siehe auch: Brunnen-Debatte I
Siehe auch: Brunnen-Debatte II
Siehe auch: Brunnen-Debatte III

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