Zoff im Haupt- und Finanzausschuss. Über ein verlustreiches Spekulationsgeschäft wurde heftig gestritten. Die Wahrheitsfindung blieb dabei auf der Strecke

Dorstener Rathaus. Hier wird die Politik gemacht; Foto: H. Frenzel

Kommentar von Helmut Frenzel

18. März 2021. – In der vergangenen Woche erschien auf dieser Seite ein Artikel, der sich mit der Frage befasste, ob das Spekulationsgeschäft der Stadt Dorsten mit dem Namen „Forward Zahlerswap“ überhaupt zulässig war (Link s. u.). Der Zinsswap aus 2009 wird in die Annalen der Stadt eingehen, weil er der Stadt den bisher höchsten Verlust bei einem einzelnen Finanzgeschäft beschert. Er beläuft sich mittlerweile auf 12,9 Millionen Euro, davon alleine 4,1 Millionen im Haushaltsjahr 2020. Das ist schlimm genug. In dem Artikel ging es jedoch um mehr. Er handelt davon, ob das Geschäft überhaupt zulässig war. Der zentrale Punkt dabei ist, ob der Zinsswap mit einem Kredit verknüpft ist oder nicht. Für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (HFA) in dieser Woche hatte die AfD unter Bezugnahme auf den Artikel in Dorsten-transparent Anträge gestellt, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen sollten. Sie wurden, um es vorwegzunehmen, mit den Stimmen aller Ausschussmitglieder mit Ausnahme des Antragstellers abgelehnt. Bis es so weit war, ging es ziemlich hoch her.

Auf Widersprüchlichkeiten wurde nicht eingegangen

Bernd Schwane (CDU), 2009 Mitglied des HFA, warf dem Antragsteller von der AfD, Heribert Leineweber, vor, es gebe keine Grundlage, das Geschäft als rechtswidrig einzustufen. Es gehe ihm nur darum, die AfD als einzige Opposition im Rat zu inszenieren. Dabei ließ Schwane durchblicken, dass sein Vorwurf sich auch gegen den Autor des Artikels auf Dorsten-transparent richtete, ohne dessen Namen zu nennen. Das Swapgeschäft sei mit einem Kredit verbunden und deswegen zulässig gewesen. Damit das auch jeder kapiert, wiederholte es Schwane mehrmals. Warum er daraus einen Vorwurf gegen Dorsten-transparent machte, erschließt sich allerdings nicht. Denn wer den Artikel liest, findet genau das, was Schwane so vehement vorbrachte: Wenn der Zinsswap mit einem Kredit verbunden ist, dann handelt es sich um ein zulässiges Geschäft. Nichts anderes wird dort gesagt. In den Berichtsvorlagen an den HFA hatte die Verwaltung es so dargestellt, dass es einen Kredit gibt und auch Konditionen genannt. Aber nun steht in der Vorlage zur aktuellen Sitzung des HFA dieser Satz: Bei dem 2009 abgeschlossenen kündbaren Forward Zahlerswap „… handelt es sich nicht um einen Kredit.“ Das ist der zentrale Punkt, um den es in dem Artikel geht. Die Aussage in der Berichtsvorlage steht unverkennbar im Widerspruch zu der bisherigen Darstellung der Verwaltung. Schwane, dem die Widersprüchlichkeit ohne Zweifel bewusst war, ist auf diese neue Lage mit keinem Wort eingegangen. Er hat es vorgezogen, Nebelkerzen zu werfen und auf die Frevler loszugehen, die eine Aufklärung fordern – frei nach dem Motto Angriff ist die beste Verteidigung. Wenn es aber keinen Kredit gibt, ist es legitim zu verlangen, dass die Zulässigkeit des Spekulationsgeschäfts überprüft wird, und kein Fall von Ketzerei.

An einer Aufklärung der Angelegenheit führt kein Weg vorbei

Die Information, dass der Zinsswap nicht mit einem Kredit zusammenhängt, ist keine Erfindung von Dorsten-transparent, sondern sie steht in der Berichtsvorlage, die Bürgermeister Tobias Stockhoff unterzeichnet hat und die vermutlich aus der Feder des Stadtkämmerers Hubert Große-Ruiken stammt. Die beiden saßen dabei und ließen die Redebeiträge laufen. Es wäre ein Leichtes für sie gewesen, die Auseinandersetzung zu beenden und den Ausschussmitgliedern mitzuteilen, was nun richtig ist. Aber sie schwiegen. Gegen Ende der Aussprache nahm dann doch noch einmal  der Bürgermeister das Wort in der Sache und rückte mit einer weiteren Neuigkeit heraus: Es sei auch zulässig, ein Zinsoptimierungsgeschäft auf der Grundlage bestehender Kredite abzuschließen. Wollte er damit sagen, dass ebendies bei dem Forward Zahlerswap der Fall ist? Niemand aus dem Ausschuss hakte nach. Wenn der Zinsswap auf der Grundlage schon bestehender Kredite abgeschlossen wurde und dies nach der einschlägigen Rechtsprechung zulässig ist, warum wurde dies nicht von Beginn an so kommuniziert? Wenn dagegen diese Vertragsvariante nicht zulässig sein sollte, geht es um eine Pflichtverletzung der handelnden Personen. In beiden Fällen wären Rat und Öffentlichkeit mit dem Hinweis auf einen frei erfundenen Kredit getäuscht worden. An einer Aufklärung der Angelegenheit führt deswegen kein Weg vorbei. Der Rat zeigte daran kein Interesse. Deswegen werden das andere übernehmen müssen.

Nach zehn Jahren Dorsten-transparent erstmals im Rat erwähnt

Doch die Kontroverse hat auch ihre guten Seiten. Zum ersten Mal seit 2009 wurde über das desolate Zinsspekulationsgeschäft im Haupt- und Finanzausschuss offen gestritten. Bisher wurden die Berichtsvorlagen zu den Währungs- und Spekulationsgeschäften der Stadt ohne viel Federlesen durchgewunken und von den teilweise hohen Währungs- und Spekulationsverlusten bekam kaum jemand etwas mit. Und dann noch dies: Im zehnten Jahr seines Bestehens fand Dorsten-transparent erstmals Erwähnung im Rat. Großartig. Die Herausgeber von Dorsten-transparent betrachten dies als Ritterschlag. Bei dieser Gelegenheit laden die Herausgeber Bürgermeister und Ratspolitiker, die gelegentlich auch von Dorsten-intransparent reden, dazu ein, ihre Kritik an Artikeln in Form von Gegendarstellungen einzureichen, damit sie auf der Seite  veröffentlicht werden können und die Meinungsbildung bereichern. In den vergangenen zehn Jahren hat das noch keiner für nötig gehalten.

 

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Ein Kommentar zu Zoff im Haupt- und Finanzausschuss. Über ein verlustreiches Spekulationsgeschäft wurde heftig gestritten. Die Wahrheitsfindung blieb dabei auf der Strecke

  1. Klaus Schakulat sagt:

    Herzlichen Glückwunsch! Nach so vielen Jahren der Ignoranz endlich einmal im Hohen Rat erwähnt zu werden, ist doch bemerkenswert. Als aufmerksamer Leser ihrer Beiträge, hat mich tatsächlich immer gewundert, daß sämtliche Behauptungen in den Artikeln zur Stadtpolitik unwidersprochen blieben. Somit muß ich als Leser davon ausgehen, daß die in den Beiträgen genannten Kritikpunkte ihre Berechtigung haben. Ich möchte sie ermuntern in diesem Sinne weiter am Ball zu bleiben. Der Bürger und Steuerzahler hat schließlich ein Recht auf Transparenz, erst recht, wenn es sich um den Umgang mit Steuergeld handelt.

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