Müssen sich nur die Bürger an Gesetze halten? Oder gelten die auch für den Stadtkämmerer und den Bürgermeister?

Dorstener Rathaus, Sitz der Stadtkämmerei und des Bürgermeisters; Foto: Frenzel

Kommentar von Helmut Frenzel

23. März 2021. – In der Sitzung des Rates am Mittwoch (24. März) steht die Einbringung des Jahresabschlusses 2019 auf der Tagesordnung. Ja, richtig: der Jahresabschluss für das Haushaltsjahr 2019. In einer Woche muss der Jahresabschluss für 2020 im Entwurf fertiggestellt sein und jetzt kommt der Stadtkämmerer mit dem Entwurf für 2019 um die Ecke? Genau so ist es. Der Jahresabschluss 2019 ist am 27. Januar 2021 aufgestellt und damit um 10 Monate verspätet. Manch einer wird sagen: Was soll das und wen interessiert das? Und wer so redet hat damit nicht ganz Unrecht. Die Jahresabschlüsse der Stadt Dorsten waren in den letzten Jahren durchweg um Monate verspätet. Und den Rat hat das bisher tatsächlich nicht interessiert, so wie überhaupt die Jahresabschlüsse im Rat äußerst stiefmütterlich behandelt wurden. Der Entwurf wurde regelmäßig ohne Aussprache an den Rechnungsprüfungsausschuss weitergeleitet und, wenn er geprüft zurückkam, ohne Aussprache verabschiedet. Das war’s. Und jetzt soll das alles nicht mehr richtig sein? So ist es. Es war nie richtig.

Der Stadtkämmerer und sein grundsätzliches Problem

Die Gemeindeordnung NRW (GO) ist so etwas wie das Grundgesetz für die Gemeinden. Dort steht in Paragraph 95:

„Der Entwurf des Jahresabschlusses und des Lageberichtes wird vom Kämmerer aufgestellt und dem Bürgermeister zur Bestätigung vorgelegt. Der Bürgermeister leitet den von ihm bestätigten Entwurf innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Haushaltsjahres dem Rat zur Feststellung zu.“

Demnach hat der Bürgermeister den Entwurf des Jahresabschlusses bis zum 31. März des Folgejahres dem Rat zuzuleiten. Das ist keine Empfehlung und auch kein guter Rat, den man befolgen kann oder auch nicht, sondern es ist eine gesetzliche Vorschrift. Diese Vorschrift missachtet die Dorstener Verwaltung seit Jahren. Nachdem der Entwurf für 2019 auch zu Beginn des laufenden Jahres noch nicht vorlag, hat Dorsten-transparent eine Anfrage an die Stadt gestellt und nachgefragt. Die Antwort entsprach dem, was auch in der Berichtsvorlage der Sitzung des Rates steht:

„Diese Frist konnte für den Jahresabschluss 2019, aber auch für die Jahresabschlüsse der Vorjahre nicht eingehalten werden, weil die Frist insgesamt zu kurz ist. Dies ist ein grundsätzliches Problem. Für 2019 kam als Besonderheit hinzu, dass die Finanzsoftware gewechselt wurde.“

Recklinghausen kann es, Düsseldorf kann es – Dorsten kann es nicht

Aha. Wenn das eben nicht geht, dann braucht man eine gesetzliche Vorschrift auch nicht zu beachten. Die Bürger, klar, die müssen sich strikt an Gesetze halten. Aber doch nicht der Stadtkämmerer und der Bürgermeister. Es geht halt eben nicht, weil die Frist zu kurz ist – jedenfalls in Dorsten. In Recklinghausen geht das, der bestätigte Entwurf des Jahresabschlusses 2019 trägt das Datum 9. April 2020, und in der Stadt Düsseldorf mit einem Haushaltsvolumen von drei Milliarden Euro und einer Bilanzsumme von 12 Milliarden geht das auch: der Entwurf des Jahresabschlusses 2019 wurde von der Stadtkämmerin am 31. März 2020 unterzeichnet. Und auch in zigtausenden Unternehmen geht es. Nur eben in Dorsten geht es nicht. Aber auf diese Beispiele kommt es gar nicht an. Für jemanden mit Kenntnissen in der Buchhaltung ist die Begründung für die monatelange Verspätung in Dorsten schlicht nicht nachvollziehbar, auch nicht mit dem Hinweis auf eine Systemumstellung. Verstörend ist insbesondere, dass die Verwaltung es über die Jahre nicht geschafft hat, die Hindernisse, die einer fristgerechten Erstellung des Jahresabschlusses möglicherweise entgegenstehen, aus dem Weg zu räumen.

Per Gewohnheitsrecht auf die Missachtung des Gesetzes abonniert

Nachdem die Antworten der Dorstener Verwaltung nicht überzeugen konnten, wandte sich Dorsten-transparent Mitte Februar an die untere Kommunalaufsicht beim Kreis Recklinghausen und bat um Aufklärung – unter anderem warum die Kommunalaufsicht nicht gegen die wiederholten Gesetzesverstöße eingeschritten ist. Eine Antwort liegt bisher nicht vor.

Der mit der Verwaltung geführte Schriftwechsel wirft zudem ein Schlaglicht auf die Geisteshaltung des Stadtkämmerers und des Bürgermeisters. Dorsten-transparent hatte auch gefragt, warum der Rat nicht über die Verspätung des Jahresabschlusses und den damit einher gehenden Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift unterrichtet worden sei. Darauf hat die Verwaltung geantwortet:

„Dem Rat ist aus den Vorjahren bekannt, dass es regelmäßig zu Verzögerungen bei der Vorlage der Jahresrechnung kommt, darum gab es hier weder Nachfragen noch die Notwendigkeit einer Information.“

Wie schön. Die Stadt hat sich jetzt für alle Zukunft ein Gewohnheitsrecht erarbeitet, gegen das Gesetz zu verstoßen. Na dann, weiter so.

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