Bei Festen wurde immer gezecht und gefuttert – und die Stadt zahlte. Die Besuche der Landesfürsten kamen die Stadt immer teuer zu stehen

Von Wolf Stegemann

18. Februar 2021. – Städte wie Dorsten haben eine lange und lebendige Tradition ihrer Festgebräuche. Ein Blick in die vergangenen Jahrhunderte der Stadt genügt, um festzustellen, dass die Dorstener es schon immer verstanden haben, Feste zu feiern. Das nun seit 1977 veranstaltete Altstadtfest knüpft an die Tradition früherer Zeiten an. Dokumente geben ein interessantes und lebendiges Bild ab, wie es in Dorsten und seiner Umgebung  damals  mit dem festlichen Treiben aussah. Ein ehemals gefeiertes patriotisches Fest der Dorstener war die Streitfeier, die anlässlich der Besiegung der Merfelder kurz vor Weihnachten von 1382 bis 1771 gefeiert wurde; ab 1588 zusammen mit dem Fest zur Erinnerung an den Sieg über den protestantischen Feldherrn Graf Oberndorf im Februar 1588 kirchlich und weltlich (Hochamt, Prozession, Bankett, Spende an die Armen). Wenn der Landesfürst kundtat, in Dorsten verweilen zu wollen, schreckte das den Rat der Stadt, denn mit diesen Besu­chen wurde die Stadt kräftig zur Kasse gebeten. So im Jahre 1509: 1 Fuder Wein, 12 Hammel, Honorare für Beamte, Musikanten und Boten 50 bis 60 Goldgulden. Mit einem Feuerwerk aus sechs Teertonnen und Pechkränzen ehrte die Stadt im Jahre 1715 ihren Landesherrn. Die Dorstener Junggesellen wurden mit 1 Tonne Bier be­schenkt. Bälle und Aufmärsche, Essen und Trinken waren immer mit dem Besuch der Landesherr­lichkeit verbunden (1746, 1750, 1784). Das kostete viel Geld, und die Stadt konnte nur selten ihren „Tribut“ verweigern.

Tätigkeiten der Amtspersonen waren stets mit Alkoholkonsum verbunden 

Nach der politischen Neuord­nung im Jahre 1803 wurde der neue Landesherr, der Herzog von Arensberg, auch wieder festlich und teuer begrüßt. Je­der Bürger musste, wenn er kei­ne „Dispensation“ besaß, auf­marschieren. Tat er das nicht, kam ihn das mit 2 Goldgulden teuer zu stehen. Dafür bekam aber jede Bürgerkompanie der Schützen von der Stadt 2 Ton­nen Bier geschenkt. Mit Vogelschießen und Biertrinken endete das Fest der Ver­sammlung sämtlicher „Beerb­ten“ der Herrlichkeit Lembeck, das Göding (Gaugericht), das um St. Johanni jeden Jahres am Pütenhof bei Tüshaus in der Heide stattfand. Es begann mit einer Gerichtsbesprechung über Wege- und Brückenange­legenheiten unter Vorsitz des Herrlichkeitsrichters. Auch er­probten die „Wehrfesten“ ihre Waffen. Zu den „amtlichen Festen“ in Dorsten zählten die Gildenfe­ste. Trink- und Essgelage schlös­sen sich den beiden „Faselbe­sichtigungen“ (Zuchtstier) im Mai und Oktober an, bei denen wiederum die Stadt tief in die Tasche greifen musste. 14 Gil­denmeistermeister durften 40 Taler Steuergelder verzechen. 26 Personen versammelten sich im Dezember des Jahres 1647, um die Rentmeister-Rechnungen zu prüfen. Dabei ver­tranken sie 43 Maß Wein für 21 Taler aus der Stadtkasse. Einen Tag später zur Wahl der Gilde­meister und der Stadtoberen durften die Wahlmänner (Kur­genossen) 16 Maß Wein für 8 Taler, die Gildemeister noch­mals für 20 Taler trinken. Und bei Bekanntgabe der Namen der Gewählten gingen 54 Maß Wein für 27 Taler drauf. 14 Tage spä­ter bei der „Ratsbestätigung“ durch den Kurfürsten wurden nochmals 74 Taler gutes Stadt­geld verzecht. Auch die Franziskaner-Patres erhielten ihren Teil: 8 Maß Wein. Und da man so schön beim Feiern war, sollten auch die ausgeschiedenen Stadtoberen ihr Fest feiern dürfen. Der abge­tretene Bürgermeister bekam eine halbe Tonne Bier, die sechs Gildemeister durften für 7 und die Ratsherren für 6 Taler Gersten- und Rebensaft vertrin­ken. Wenn Bürgermeister, Kirchmeister und der Armen­provisor ihre Buchhaltung vorlegten, wurden für das anschlie­ßende Gelage 18 Taler ausgege­ben.

Auch Lehrer, Geistliche und Gildemeister waren beim Trinken fest dabei

Auch die Schulen waren „fe­ste“ dabei, wenn es zu feiern galt. Die Dorstener Elementar­schule veranstaltete ihren Mai­gang ins nahe Lippetal unter Beteiligung der Eltern, Lehrer, Geistlichen, Ratsherren und Gildemeister. Während sich die Alten auf der Festwiese ins Gras niederließen, gemütlich ein Pfeifchen schmauchten und die von der Stadt gespendete Kanne Bier austranken, sangen die Schüler Oster- und Früh­lingslieder. Doch zeigte sich die Stadt ab 1708 knauserig: Die Kanne Bier wurde gestrichen. Mit Gesang, Musik und Tanz feierten die Schüler des Gymnasium Petri­num ab 1648 in loser Folge bis 1771 ständig wiederkehrende Schulfeste, zu denen auch die Bürger der Stadt eingeladen waren. Wein, Käse, Heringe und Butter lieferte der Stadt­kämmerer.

Zur Klosterkirmes bekamen die Franziskanern Bier und Hammelfleisch

Kirchliche Feste waren früher zahlreicher: Hagelfeier, Christi-Himmelfahrt, Fronleichnam, Dreifaltigkeit, Nikolaus, Kar­freitag, Mariä-Geburt sowie Pe­ter und Paul fanden mit Prozes­sionen statt, und anschließend traf man sich zum fröhlichen Umtrunk. Viel Volk beteiligte sich an den Kirmessen, von denen es gleich mehrere in Dorsten gab: St. Nikolaus-, St. Johannis-, St. Katharinen- und die St. Agatha-Kirmes sowie die 1589 sogenannte „Neue Kirmes“ waren mit Märkten und Volksbelustigun­gen verbunden. Die Franziska­ner feierten ihre „Klosterkir­mes“, zu der die Stadt wieder­um ihr Füllhorn ausschütten musste: 1704 lieferte Dorsten 1 Tonne Bier, 1 Hammel, Fische, Weißbrot, Rindfleisch und 8 Maß Wein. Übrigens war die Menge der Gaben aus Steuermitteln immer verbunden mit der Anzahl der städtischen Vertreter bei den Gelagen. Bereits 1488 sind die ersten Stadtschützen urkundlich er­wähnt. Auch sie erhielten für ihre Feste „Vogelschießen“, Pa­raden und Umzüge Zuwendun­gen von der Stadt. Bauern der Herrlichkeit schenkten den Schützen (Stadtschützen, Jodokus-, Nikolaus-, Georgschüt­zen) in der Regel eine Henne.

An bestimmten Familien- und Nachbarschaften gab es immer Bier 

Neben den amtlichen, weltli­chen und geistlichen Festivitä­ten verstanden es die Dorstener, nach Sitte und Brauch auch Fa­milienfeste zu feiern. Geburten und Taufen waren stets willkommener Anlass, kräftig in den Becher zu gucken. Doch schränkte dies der Rat der Stadt schon 1320 in soweit ein, dass erst nach dem Kirchgang gefei­ert werden durfte. Auch muss­ten die Taufgäste im Weinhaus ihren Schoppen („Mengelen“) und im Wirtshaus ihr Getränk („Gelaich“) selbst bezahlen. Da­nach konnten sie das „Neunta­gefest“ und das „Sechswochenfest“ mit „Taufbier“ feiern. Im Jahre 1805 untersagte die arenbergische Regierung diese Tauf­gelage. Es war Brauch, dass Nach­barn zu einer Beerdigung bei der Leiche die Totenwacht hiel­ten. In einer 1730 veröffentlichten Trauerordnung verbot der Kurfürst diese nachbarschaftliche Totenwacht, „weil die Totenwächter statt zu beten, die Nacht mit Essen und Trinken von der Trauerverwandtschaft herzugeben, und mit Spielen und allerlei bösen  Tat zubringen“. Doch wurde dieses Verbot kaum und zumindest nicht lange beachtet. Große soziale Bedeutung, die im gegenseitigen Helfen begründet war, hatten die Nachbarschaftsfeste (oder Pumpenfeste). Die Bewohner einer Straße, die an ihren Enden in früheren Zeiten mit einem Tor verschlossen war, bildeten die Nachbarschaften und hatten für die Instandhaltung des Brunnens zu sorgen. Aus dieser Nachbarschaft erwuchsen die sogenannten Pumpengilden, die einen Vorstand wählten.  Bei Familienfeiern, wie Hochzeit, Taufen, Tod, Erbschaft, Richtfest oder Hauserwerb durften die „Nachbaren“ nicht fehlen. Noch heute sind Überbleibesel dieser „Pumpennachbarschaften“ bei Polterabenden, beim Bekränzen vor Hochzeiten und bei der Ehrenpflicht des Sargtragens bei Beerdigungen zu erkennen. Dass alter Festbrauch sich mit neuen Einfällen verbindet, zeigt der Polterabend, den man früher auch „Hühnerabend“ nannte, weil die Gäste und Nachbarn Hühner zur Hochzeit schenkten und das Geflügel am Vortage der Hochzeit brachten.

Heute gibt es die „Dorstener Bierbörse“ – danach den Polizeibericht

Der geschichtliche Überblick über Dorstens Feste und Feiern, die stets mit Fressereien und Saufereien verbunden waren, mag begründen, warum auch bei seit 2009  stattfindenden jährlichen „Dorstener Bierbörsen“ in der Innenstadt so viel gesoffen wird, dass die Polizeiberichte Tage später darüber berichten. Saufen bei Festen, vor allem auch bei Schützenfesten, scheint in Dorsten, wie dieser Rückblick zeigt, nichts Neues zu sein und hat sogar eine jahrhundertealte Tradition. Doch die Corona-Pandemie machte den Dorstener Festen und den Feierenden im letzten Jahr einen Strich durch die Rechnung.

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Ein Kommentar zu Bei Festen wurde immer gezecht und gefuttert – und die Stadt zahlte. Die Besuche der Landesfürsten kamen die Stadt immer teuer zu stehen

  1. Stadtbewohner sagt:

    Der gesegnete Appetit, die trockene Kehle, man kann es den Bürgern nur gönnen, dass sie jede Gelegenheit nutzten, sich die Bäuche richtig vollzuschlagen. Bot der Alltag doch nur eine karge Kost.
    Es scheint munter zugegangen zu sein, im alten Dorsten, da kommt der heutige Bürger ins Staunen. Ein sehr schönes Stimmungsbild, das Herr Stegemann verfasste. Wie immer sehr gut recherchiert.

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