Dorsten-Lexikon: Eine Stadt und ihre Menschen kennenlernen durch Stöbern in Informationen, Schilderungen, journalistischer Berichterstattung, Kommentaren und Anekdoten

Titelgrafik mit einer Dorsten-Montage des Fotografen Peter Koerber

Von Maria Nienhaus

6. April 2018 – „Durch einen Zufall stieß ich gestern im Internet auf Ihr verdienstvolles Dorsten-Lexikon. Ich habe kreuz und quer gelesen und bin begeistert über Ihre Initiative, die kleine Stadt, in der ich aufwuchs, auf diese Weise im weltweiten Netz zu bewahren …“ Dies schrieb einer, der zu beurteilen weiß, was geschrieben steht. Heribert Seifert, Journalist der Wochenzeitung „Die Zeit“ und der „Neuen Zürcher Zeitung“(NZZ), des Rundfunks und anderer Medien, schrieb dies am 3. April 2018 an den Herausgeber Wolf Stegemann. Dieser erhält solche und ähnliche Schreiben, meist mit einem Anliegen verbunden, fast jede Woche. „Ich komme mir manchmal schon vor, wie das Stadtarchiv!“ Leser des Lexikons, die irgendeine Verbindung zu Dorsten haben, so der Herausgeber, wollen dieses und jenes, fragen, ob mehr Bilder vorhanden seien, und wissen auch selbst Neues zu diesem und jenem Thema zu berichten. Unlängst berichtete einer über seinen Vater, der als Ostpreuße in den letzten Kriegstagen in der SS-Brigade „Windhund“ in Dorsten kämpfte und darüber ein privates Kriegstagebuch führte.

„Ich habe darin gestöbert … eine beeindruckende Arbeit“

Zuschriften, oft mit Fragen oder ergänzenden Informationen, kommen aus allen Ecken Deutschlands und auch aus dem Ausland. So schrieb Kerstin Kleinholz im Januar 2017:  „Guten Tag, Herr Stegemann, ich recherchiere gerade zu einer deutschen Malerin in Norfolk/USA – und bin darauf gestoßen, dass Ihr Lexikon-Eintrag deren Mann betrifft, der hier als DSACT deutsche Militärgeschichte schreibt: Manfred Nielson ist inzwischen Admiral in hiesiger NATO-Verwendung.“ Hans-Peter Krueger, Sydney (Australia) schrieb: „Wirklich sehr informativ. Vielen Dank fuer die Muehe, die dort hineingeflossen ist. Fuer mich als geborener Dorstener sehr interessant, 14. March 2018.“ Und Egbert Schroer, Seattle (Washington, USA), schrieb am 10. April 2016: „Guten Tag Herr Stegemann, per Zufall bin ich auf das Dorsten-Lexikon gestoßen und habe etwas darin gestöbert. Eine beeindruckende Arbeit …“ Auf die Frage, ob es denn bei so viel Anerkennung durch Leser auch Kritik gäbe, schüttelt Stegemann den Kopf. „Bis jetzt nicht!“ Dabei verweist er auf den  Leitspruch des Lexikons von Moritz Haupt (1808-1874), der auf jeder Seite des Lexikons steht: „Wer ein Lexikon schreibt, zimmert, wie der alte Spruch sagt, recht eigentlich am Wege und stellt sein Werk dem Tadel aus.“
Das Online-Dorsten-Lexikon beinhaltet mittlerweile im vierten Jahr seines Bestehens über 3067 Einträge, darunter Reportagen, Aufsätze. Essays oder auch nur informatorische Texte sowie viele Fotos. Darunter sind rund 280 Personenporträts verstorbener und noch lebender Dorstener oder von Personen, die in Dorsten irgendwie mitgewirkt haben, sei es der Kölner Bischof von Hochstaden oder der Dezernent Gerd Willamowski in den 1980er-Jahren. Derzeit hat das Dorsten-Lexikon täglich rund 300 Besucher, die etwa 500 Artikel aufrufen, obgleich ein Lexikon kaum Aktualitäten bringt. 2015 wunderte sich der Leser E. Nagel: „Warum ist in Dorsten so unbekannt, dass es dieses hervorragende neue Lexikon-Projekt in Dorsten gibt? Informieren Sie doch mal die Ortszeitungen!“

Das in Jahrhunderten angehäufte Wissen um eine Stadt versammelt

Eigentlich, so kann man leicht übertrieben sagen, ist in diesem Lexikon das gesamte wichtige Wissen um die Stadt Dorsten und öffentlich gewesene oder noch lebende Personen versammelt, ein Wissen, das sich in über tausend Jahren und mehr angehäuft hat. Durch Klicks ist es online abrufbar. Man muss keine Bücher durchsuchen, um das eine oder andere zu finden, sondern hat die gesamte Geschichte und aktuelle Gegenwart vor sich auf dem Bildschirm. Wie eingangs vermerkt, ist der Gründer und Herausgeber des Lexikons Wolf Stegemann, der seit 1980 in Dorsten lebt. Die Herausgabe, redaktionelle Erstellung und Betreuung dieses lexikalischen Internet-Auftritts ist ehrenamtlich, die Nutzung kostenlos. Zuschüsse gibt es nicht, aber Stegemann würde sich freuen, auch mal einen öffentlichen Zuschuss zu erhalten. Denn es entstehen schließlich Kosten, die er selbst trägt. Zwar beteiligt sich die Stadt Dorsten offiziell nicht daran, ist aber über die Pressestelle und das Stadtarchiv hin und wieder auf Anfrage mit Informationen behilflich. Das Outfit des Lexikons und dessen Handhabung, erstellt von dem Dorstener Jörn Fester, der auch das Projekt technisch betreut, findet immer wieder große Anerkennung für das Layout, das Such- und Aufrufsystem.

Langjährige Zeit der Ideenentwicklung und Vorarbeiten

„Ich habe im Vorfeld der Veröffentlichung mit jahrelangen Unterbrechungen über 14 Jahre an der Idee und am Zustandekommen gearbeitet, um daraus ein Buch zu machen“, erinnert sich Wolf Stegemann. Doch dann wurde das Internet populär und er entschied sich, das Lexikon online zu veröffentlichen. Dieses Lexikon wäre nicht zustande gekommen, gäbe es nicht die vielen Darstellungen früherer und gegenwärtiger Heimatforscher und Journalisten in den verschiedenen Publikationen, in denen Geschichte und Geschichten aus beinahe allen Blickwinkeln gesehen, veröffentlicht wurden. Und weil die Historie die große wie die kleine als Handlungsort unserer Herkunft nach wie vor großes Interesse findet, ist dieses Online-Lexikon nötig. Es ist ein Hilfsmittel für alle Dorstener und die, die etwas über Dorsten erfahren wollen, für Schüler und Lehrer, für interessierte Laien und für den Fachmann, der nach einer schlüssigen Begriffsbestimmung schnell findend Ausschau hält. Die Vorarbeiten unterstützten vor allem seine 2013 verstorbene Frau, der dieses Lexikon gewidmet ist, und der damalige Stadtdirektor und Bürgermeister Dr. Karl-Christian Zahn. Sie animierten ihn immer wieder, dran zu bleiben.

Redaktionelle Arbeit an einem Lexikon hört nie auf

Wolf Stegemann gibt mittlerweile auch die Online-Dokumentation „Dorsten unterm Hakenkreuz“ ehrenamtlich heraus und mit Dr. Helmut Frenzel das Online-Magazin „Dorsten-transparent“ sowie mit Dr. Oliver Gußmann im Mittelfränkischen die Online-Dokumentation „Rothenburg unterm Hakenkreuz“. Zudem ist er redaktioneller Mitarbeiter des „Bayerischen Staatslexikons“. Über zu wenig Arbeit braucht sich der im Rentnerstand befindliche Journalist  Stegemann nicht zu beschweren. Vielmehr beklagt er sich des Öfteren über zu viel Arbeit – aber bei sich selbst. Doch er wusste von Anfang an, wie er sagt, dass das Lexikon ihm viel Arbeit machen würde, und zitiert dann die Weisheit großer Lexikon-Schreiber, dass das Schreiben eines Lexikons eine Arbeit ist, die nie aufhört. Immer wieder tauchen neue Themen auf, Gegenwärtiges muss ständig aktualisiert werden und Porträts von noch lebenden Personen müssen in die Vergangenheitsform umgeschrieben werden. Für solche Informationen ist die „Dorstener Zeitung“, und früher auch die WAZ, hilfreich und eine unverzichtbare Fundgrube – wie andere Publikationen auch.

Dorsten-Stadt, Landgemeinden, Kreis und Vest Recklinghausen

So gibt dieses Nachschlagewerk Auskunft über die frühen und gegenwärtigen Befindlichkeiten einer Stadt inmitten des sie umgebenden politischen, sozialen, kulturellen und landschaftlichen Umfelds, eingebettet in die gemeinsame, mitunter auch entgegenwirkende 2000-jährige Geschichte zwischen Römerlager, Durstinon, Herrlichkeit Lembeck sowie Vest und Kreis Recklinghausen. Dorstener Geschichte ist immer auch ein Stück Regional- und Landesgeschichte. Das wird durch dieses Lexikon deutlich. Bei den weit gefächerten Themen mit ihren mitunter kniffligen Begebenheiten und verwinkelten Sachverhalten war mit Telegrammstil und bloßen Fakten nicht viel zu machen. Sachinformationen mussten atmosphärisch flankiert werden, damit nicht nur ein Schmökerlexikon, sondern auch ein digitales Lesebuch der vestischen und Dorstener Geschichte und Gegenwart zustande kam.

www.dorsten-lexikon.de

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3 Kommentare zu Dorsten-Lexikon: Eine Stadt und ihre Menschen kennenlernen durch Stöbern in Informationen, Schilderungen, journalistischer Berichterstattung, Kommentaren und Anekdoten

  1. Hallo,
    über Umwege während einer Internetrecherche bin ich per Zufall auf Ihre Seite gestoßen. Viele Erinnerungen wurden wach.
    Ich bin ein Enkel des Rechtsanwaltes und Notars Johannes Spangemacher. Ich bin in den letzten Kriegswochen 1945 in einer neutralen Kriegszone im Harz geboren. Wegen der Situation nach dem Krieg wohnten meine Eltern Gerd Spangemacher, Hildegard Spangemacher (geb. Mayerweg), mein Bruder Klaus und ich im Haus unserer Großeltern. Mein Vater sollte Opas Praxis übernehmen.
    Wir Spangemachers sind zwar ruhige Menschen, können aber zu explorierenden Vulkanen werden – und das haben mein Vater und mein Opa auch geschafft. Mein Vater ist aus der Praxis ausgeschieden und hat am Finanzamt Recklinghausen gearbeitet. Er ist jeden Tag mit der Straßenbahn gefahren, die es heute auch nicht mehr gibt.
    Der Weg zur St. Agatha-Volksschule war nicht weit: Über die Kirchellener Allee, durch das Pättgen an Beisenbusch vorbei, und schon war ich dort. Mein Vater schickte mich hin und wieder zur Gaststätte Börgers, um dort Bier zu holen.
    Das Haus meiner Großeltern steht schon lange nicht mehr, die Kirchellener Allee ist eine Sackgasse geworden. Damals hing aber hoch über der großen Kreuzung an der Post, dem Steinmetz und dem Schlachter eine Ampel mit einem Kreis in grün und rot sowie weißen Strichen als Abstandshalter der Farben. In der Mitte des Kreises drehte sich ein weißer Pfeil. Zeigte der Pfeil auf rot, musste das Auto halten, das diese Zeigerstellung sah.
    Opa muss ein hohes Tier im Schützenverein gewesen sein, denn während des Schützenfestes stand immer eine Ehrenwache vor dem Haus. Die Mädchen aus dem Büro versorgten die jungen Männer regelmäßig mit Wasser in ganz kleinen Gläsern. Ich durfte dieses “Wasser” nie trinken. Fand ich mit acht Jahren sehr ungerecht, denn ich hatte schließlich auch Durst.
    Jakobine Spangemacher-Gudel, genannt Biene, und Schwester meines Opas, war oft bei uns, oder wir bei ihr am Westwall. Sie war eine von Herzen liebenswerte Oma.
    Mit der Versetzung meines Vaters an die Finanzschule in Nordkirchen verließen wir Dorsten für immer.
    Mein Weg führte mich viele Jahre kreuz und quer durch die Welt. Heute lebe ich in der Nähe von Düsseldorf, im Rheinland.
    Für mich war das Rheinland immer ein komisches Land, denn wenn wir jedes Wochenende ins Umland gefahren sind, kamen wir auch machmal nach Schermbeck. Diese Woenendausflüge machten wir, weil Opa in den Dorfkneipen im Gespräch mit den Wirten erfahren wollte, ob es Arbeit für ihn als Notar geben könne, die sich aus Todesfällen, Erbscaften, Heirat usw. ergäben. Eine sehr frühe Marketingaktinaktion.
    Durch dieses Schermbeck muss(te?) die Grenze zwischen dem Rheinland und dem Münsterland verlaufen. An einer Stelle dort sagte Opa immer mit einer verächtlichen Handbewegeung, hinter dem Kanaldeckel dort in der Mitte der Straße beginnt das Rheinland.

  2. Legmann sagt:

    Jedes Wort des Kommentators Köster ist zu unterschreiben. Dorsten hat solch einen umtriebigen, gebildeten Berichterstatter nicht verdient.

  3. Köster sagt:

    Wäre es nicht an der Zeit, Herrn Stegemann Dank auszusprechen für seine unglaublich gute Arbeit, die er der Stadt Dorsten quasi schenkt? In etlichen Städten wüsste man sich glücklich zu schätzen, gäbe es eine solch versierte kontinuierliche Berichterstattung. Einige, meist historische, Städte bieten Stadtschreibern Wohnung und Honorar, wenn sie ihre Zeit der Stadt widmen.
    Doch das wäre von der Stadt Dorsten zu viel verlangt; wie mit hohem Niveau umgehen? Das Wissen fehlt. Dass die Lokalzeitung nicht berichtet, ist wahrscheinlich der Angst geschuldet, einer überlegenen Konkurrenz das Wasser nicht reichen zu können.
    Fazit: Es bleibt dabei. “Undank ist der Welten Lohn”, zumindest in Dorsten.

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