Wind und Wetter – Stürme fegten über Stadt und Land, Hitze verdorrte Felder und Ernten, Kälte legte den Verkehr lahm und die Lippe überschwemmte Straßen und Felder

Essay von Wolf Stegemann

13. Oktober 2017. – „Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder bleibt wie’s ist!“ Diese verballhornte Volksweisheit sagt aus, dass man das Wetter nicht beeinflussen kann, sieht man von einigen Versuchen ab, Wolken künstlich regnen zu lassen. Auch forscht das Militär seit  Anfang der 1950er-Jahre über Möglichkeiten, das Wetter lokal zu beeinflussen. Denn Kriege zu gewinnen oder zu verlieren, kann auch von der Wetterlage abhängig sein, wie 1942/43 die Niederlage der Deutschen in der Sowjetunion. Und die Bombardierung der deutschen Städte, darunter auch Dorsten im März 1945, war abhängig von guter Sicht der Piloten, die ohne tiefhängende Wolken ihre Bomben besser platzieren konnten.

Der Mensch hat keinen Einfluss auf das Wetter

Blitz über Wulfen; Foto: Christian Gruber

Das Wetter ist im Allgemeinen so wie es ist, mal so mal anders und oft genug hält es sich auch nicht an den Wetterbericht und ist Anlass von Murren und Geschimpfe. Ohne auf die vielen meteorologischen Wetterbegriffe eingehen zu wollen, welche die verschiedenen Zustände an einem bestimmten Ort charakterisieren und beschreiben, reden wir hier lediglich über das Wetter schlechthin, dem wir jeden Tag ausgesetzt sind. Es ist ein Naturereignis, auf das der Mensch keinen Einfluss hat, auch wenn Luther meinte, der Mensch solle sich die Erde untertan machen. Das schafft der Mensch allerdings nicht, wie es die immer wiederkehrenden Wetter-Katastrophen weltweit beweisen, die Menschen und Länder zerstören. Über das Wetter sprach sogar schon die Justiz ein Urteil. Das Landgericht Cottbus beurteilte 2012 Wetter als „höhere Gewalt“, als in der Baubranche geklagt wurde: ein Gebäude konnte nicht rechtzeitig fertig gestellt werden, weil das Wetter nicht mitspielte.

Missernten folgten anhaltende Hitzeperioden

Wetter beeinflusst unser Leben immer, ganz gleich wie es ist. Es gibt auch das alltägliche „normale“ Wettergeschehen mit Luftfeuchtigkeit, Niederschlägen, Lufttemperaturen, Wind oder Sturm, der manchmal Bäume umknickt, Bewölkung mit kurzen oder anhaltenden Regenfällen, die zu Überschwemmungen führen können. Dann gibt es das „Aprilwetter“, das für launisches, wechselhaftes Wetter mit rascher Abfolge von Sonne, Wolken und Schauern steht. Anhaltende Hitze mit ausbleibendem Regen gehört auch zum Wettergeschehen, das zu Dürre und Trockenheit sowie zu Flächenbränden und Missernten führt. Mehrere solcher Dürreperioden hatten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu Auswanderungswellen aus Dorsten und Umgebung nach Amerika geführt. Der Lembecker Pfarrer schrieb im Jahr 1800 in seine Chronik:

„Nicht nur die kalte Nacht vom 14ten auf den 15. vorigen Monats, sondern auch die darauf folgende Dürre Hitze hat den Buchweizen verdorben, die Erdäpfel, Graßanger, Klee, Fitzbohnen versenget; auch eben diese Dürre hat gemacht, dass der Spürgelsamen, welche im Herbste dem Hornvieh die Nahrung geben muß, sammt den ausgesaeten Rübensamen nicht habe aufkeimen können, wodurch den im hisigen Kirchspiel sowohl den Menschen als dem Vieh der Große Teil der Nahrung mangelt. Daß ein solches der Wahrheit gemäß seye, bescheinige ich hierdurch. – Lembeck, den 21. August 1800 Hinrich Sommer, Pastor.“

1946/47 gab es den schwersten Winter des 20. Jahrhunderts

Harter Winter 1946/47

Wie gesagt, Wetterkatastrophen gab es schon immer. Bei den Älteren wird vielleicht noch die Kältewelle 1946/47 in Erinnerung sein, als im ausgemergelten Deutschland wegen unzureichender Ernährung mehrere hunderttausend Menschen starben und es auch in Dorsten Opfer gab. Fachleute sagen, dass dies der schwerste Winter im gesamten 20. Jahrhundert war. In der Sowjetunion starben zwischen 1946 und 1948 an den Folgend der extremen Wetterbedingungen und des Hungers zwei Millionen Menschen. Als schwerste Nordseesturmflut des 20. Jahrhunderts gilt die so genannte „Hollandflut“ vom 1. Februar 1953. Vom 29. Juli bis September 1959 gab es eine lang anhaltende Trockenheit. In Dorsten ließen die drei aufeinanderfolgenden starken Hitzewellen viele Brunnen versiegen. Auf den Weiden war das Gras braungebrannt. Die Bauern mussten Stroh verfüttern. Da es deswegen nur wenig Herbstfutter gab, blieben die Silos der Bauern leer. Einkellerungskartoffeln kosteten zwischen 121 und 140 DM je Zentner. Und am 16. Februar 1962 gab es eine große Sturmflut in Hamburg, bei der erstmals die Bundeswehr zur Katastrophenabwehr im Inneren eingesetzt wurde. Zugtausende wurden obdachlos, 6000 Gebäude zerstört und es entstand ein Schaden von 650 Millionen DM. Tagelang durften in ganz Deutschland keine Vergnügungsfeiern stattfinden. Der Karneval wurde abgesagt.

Orkanartiger Sturm zerstörte die Napoleonsbuche in der Hohen Mark

Zerstörte Napoleonsbuche 2007

In den folgenden Jahrzehnten fegten die Orkane über Deutschland hinweg, manche auch über ganz Europa. Die Schäden waren immens. Beispielsweise verursachte 1968 ein Tornado über Pforzheim 100 Millionen DM Schaden. Über Dorsten wütete am 4. April 1973 ein orkanartiger Sturm, der in den Wäldern der Herrlichkeit Lembeck große Schäden anrichtete. Die historische Napoleonsbuche in der Hohen Mark wurde stark beschädigt. Nur der Stumpf blieb stehen. Am 13. November desselben Jahres verursachte der Orkan „Quimburga“ landesweit 1 Milliarde DM Schaden. Im Januar 1975 fetzte ein schwerer Orkan mit Windgeschwindigkeiten von über 125 km/h über Stadt Dorsten und Herrlichkeit Lembeck hinweg, der in den Wäldern die Bäume aus dem Erdreich riss. Auf der Mätthäuskirche in Wulfen wurde das Turmkreuz beschädigt, das durch ein neues ersetzt werden musste. Ein Hagelsturm richtete am 12. Juli 1984 in München rund 1,5 Milliarden DM Schaden an und mehrere Kältewellen im Jahr darauf kosteten die Versicherungen rund 440 Millionen DM. Spitzenböen von mehr als 150 km/h fegten am 20. Oktober 1986 über die  Bundesrepublik hinweg. In Dorsten waren die Feuerwehren in pausenlosem Einsatz. In der Altstadt drohte das Dach der Agathakirche aus der Verankerung zu reißen. 1987 kostete ein Orkan in Deutschland die Versicherungen 420 Millionen DM und weitere rund 20 Orkane jeweils zwischen 500.000 DM und 1,5 Milliarden DM bzw. Euro in den nächsten Jahren.

„Münsterländer Schneechaos“ legte 2005 den Verkehr lahm

Schneechaos 2005 in Münster

Die Orkane hatten (und haben) Namen: „Capella“ (1976) und „Daria“ (1990). „Vivian“ richtete am 1. Februar 1990 in Dorstens umliegenden Waldgebieten schwere Schäden an. Wegen des anhaltenden stürmischen Wetters fiel der Rosenmontag-Karnevalszug am 26. Februar in Dorsten aus. Es folgten „Wiebke“ (1990), „Anatol“ (1999) und „Lothar“, der 1999 Schäden von 11,5 Milliarden DM anrichtete. Der Orkan „Ginger“ hinterließ am 28. Mai 2000 auch in Dorsten, Schermbeck und Erle Verwüstungen. Auf „Jeanett“ (2002) folgten „Gudrun“ (2005) und „Thorsten“, der in Dorsten Strommasten umknickte und etlichen Einwohnern den Strom kappte. Am 26. November 2005 brachte das „Münsterländer Schneechaos“ Schneefall und Schneebruch und richtete einen Schaden in Höhe von rund 100 Millionen Euro an. Strommasten knickten ab, einige Ortschaften waren tagelang ohne elektrische Versorgung. Auf verschiedenen Autobahnen und weiteren Straßen kam der Verkehr zum Erliegen. Hunderte Autofahrer verharrten stundenlang im Schneesturm in ihren Autos.

Im Jahr 2007 kam „Kyrill“, der Schäden von 2,1 Milliarden Euro anrichtete und in Dorsten und den Wälder der Herrlichkeit und Hohen Mark extrem wütete (siehe gesonderten Artikel). Dem schloss sich im gleichen Jahr „Emma“ an und 2008 „Paula“ und „Klaus“.  2010 wüteten „Daisy“, „Andrea“ und „Xyntia“ sowie „Norina“, die über Nordrhein-Westfalen hinwegfegte und in Dorsten umgeknickte Strommasten und Bäume sowie vollgelaufene Keller hinterließ.

Starke Stürme bekamen meist Frauennamen, erst danach Männernamen

„Xavier“, Oktober 2017 in Norddeutschland

Offensichtlich lagen Beschwerden von Frauen vor, die nicht weiter dulden wollten, dass diese Schaden anrichtenden Orkane meist nur Frauennamen bekamen. Denn 2011 kam „Rolf“, dem 2013 „Christian“ und „Xaver“ folgten. 2014 „Eka“ mit 440 Millionen Euro Schaden, danach im Jahr 2015 „Niklas“ mit 750 Millionen Euro, der eine mächtige Weide auf ein Haus am Markeneck kippte, und „Zeljko“ am 25. Juli, der es ihm gleichtat und einen Baum auf ein Wohnhaus an der Straße Wiesenthal in Lembeck stürzen ließ. 2016 zogen „Ruzica“ und „Susanna“ durch, was zur Folge hatte, dass der Rosenmontagszug am 8. Februar verschoben werden musste. Im Januar 2017 trat bereits „Axel“ in gewohnter Erscheinung auf und es wurde vor dem Orkan „Egon“ gewarnt, der allerdings als „Egonchen“ über Dorsten hinwegblies. Anfang Oktober 2017 erforderte der Orkan „Xavier“ in Norddeutschland Todesopfer und verursachte großen Schaden.

Anhaltende Hitzeperiode mit über 40 Grad und Ernteausfällen

Orkane sind meist verbunden mit Regenfällen und diese dann mit Hochwasser. In der Geschichte Dorstens gab es solche genug und gibt es sie immer noch. Seit Eindeichung der Lippe allerdings nur noch beschränkt. Als Jahrhundert-Hochwasser wurden die Überschwemmungen in Mitteleuropa vom Mai bis Juni 2013 klassifiziert. Auch Hitzewellen machten den Menschen zu schaffen. Eine solche herrschte vom Juni bis September 2015 in den Ländern Nordafrika Süd-, Mittel- und Nordafrika teilweise auch mit Unwettern verbunden. Die Temperaturen in Deutschland lagen oft anhaltend bei über 40 Grad, unterbrochen von Kaltfronten und schweren Unwettern. Die Folge waren Ernteausfälle durch Trockenheit. Die Schadenshöhe ist nicht ermittelt.

Hochwasser der Lippe

Wasser kam von oben und von unten

In ganz Nordwestdeutschland gab es im Juli 1954 nur einen trockenen Tag. Das war der 8. Juli. Und alle Tage waren zu kalt. Wolkenbruchartige Regenfälle  ließen in wenigen Stunden die kleinsten Bäche zu reißenden Wildwassern anschwellen. Im Stadtgebiet Dorsten richtete der Schölzbach ziemliche Schäden an. In Hervest-Dorsten stand die Eisenbahn-Unterführung der Borkener Straße einen Meter unter Wasser. Im August setzten sich die wochenlang anhaltenden Regenfälle weiter fort. Es gab nur sechs Tage ohne Regen. Die Erntearbeiten verzögerten sich. Die Ernte in der Herrlichkeit war dürftig. Auch ein Jahr darauf verursachte ein starkes Unwetter Hochwasser und Unfälle im Stadtgebiet und im gesamten Amtsbezirk.

Land unter Nähe Gemeindedreieck

Am 24. Juli 1956 erreichte das Hochwasser der Lippe mit 6,23 Meter seinen höchsten Stand, der zwölf Tage lang anhielt. Wieder infolge starker Regenfälle führte die Lippe am 27. Februar 1958 Hochwasser (6,45 m). Durch neuen Schnee und Frost hatten Eisen- und Straßenbahnen sowie der Busverkehr erhebliche Einschränkungen.
Zwei Jahre darauf, am 5. Dezember 1960 gab es aufgrund von starken Regenfällen erneut Hochwasser. Besonders überschwemmt wurden die Marienstraße beim Gut Hagenbeck und der Bereich zwischen Kanal und Lippe. Der Pegelstand kletterte auf 7,88 m. Die Stadt zahlte den Geschädigten Beihilfen. Wieder im Dezember, diesmal 1961, führte die Lippe mit 7,15 m Hochwasser. In weiten Teilen des Stadtgebiets hieß es am 7. Februar 1984 „Land unter“. Lang anhaltende Regenfälle sorgten für Überschwemmungen. Am 31. Januar 1995 stieg der Pegelstand der Lippe auf 8,10 m. Wiederum durch Regenfälle verursacht, standen Ende Oktober 1998 in Rhade und Lembeck viele Keller unter Wasser. Einen historischen Höchststand erreichte die Lippe mit 9,88 m am 4. Januar 2003. Auf 9,26 m Pegelstand stieg die Lippe am 15. Januar 2011 an. Am 28. Juli 2014 liefen nach anhaltenden Regenfällen in Lembeck und Hervest die Keller voll. Die Feuerwehr hatte viel zu tun.

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