Städtepartnerschaften mit Frankreich, England, Israel, Polen, Nordirland, Nicaragua, Sachsen – mit Enthusiasmus begonnen, die meisten bald erlahmt

Partnerschaftsbrunnen in Holsterhausen

Von Wolf Stegemann

Als Deutschland nach dem Krieg von der Völkergemeinschaft isoliert am Boden lag, wurde den deutschen Städten vor allem von amerikanischen Kommunen Partnerschaften angetragen. Eine amerikanische Stadt im mittleren Westen wollte schon 1947 mit Dorsten in freundschaftliche Beziehungen treten. Die Akten geben keine Auskunft darüber, warum Dorsten damals die entgegen gestreckte Hand nicht angenommen hat. Nicht nur wirtschaftliche Hilfe stand damals im Vordergrund der Anfrage aus Amerika. Man wollte persönliche Beziehungen zwischen den Bürgern beider Städte, um durch das Kennenlernen des jeweils anderen, Gräben zuzuschütten und Vorurteile abzubauen, die durch das menschenverachtende Wüten des deutschen Staatsterrors in Europa entstanden sind. Unwissen sollte durch Wissen ersetzt, die Toleranz gestärkt und Freundschaften geschlossen werden, die an Grenzen nicht haltmachen.

Genau 50 Jahre später, 1997, wurde die Stadt wegen der Vielzahl von Partnerstädten vom Europarat als „Gemeinde Europas“ ausgezeichnet. Es bestehen Partnerschaften mit Crawley (England) seit 1973, Dormans (Frankreich) seit 1981, Ernée (Frankreich) seit 1985, Waslala (Nicaragua) seit 1985, Newtownabbey (Nordirland) seit 1988, Hainichen/Sachsen (damals DDR) seit 1990, Rybnik (Polen) seit 1994, Hod Hasharon (Israel) seit 1994. Getragen werden die Partnerschaften von den Stadtverwaltungen und Räten sowie den Bürgern in den Freundeskreisen, so diese noch bestehen. Mitte des Jahres 2000 haben die Städte Dorsten, Rybnik und Newtownabbey sowie Crawley eine engere Zusammenarbeit auf EU-Ebene mit gemeinsamen wirtschaftlichen Projekten geplant. – Nachdem es in Dorsten Straßen gibt, die nach den Partnerstädten Crawley, Dormans, Rybnik, Ernée und Waslala benannt sind, wurde 2014 auf dem ehemaligen Zechengelände eine Straße „Hainichenring“ benannt. Vor kurzem hatte Hainichen in einem dortigen Gewerbegebiet eine „Dorstener Straße“ eingerichtet. In Dorsten fehlen noch eine Hod Hasharon-Straße und eine Newtownabbey-Straße.

Partnerschaftsbrunnen in Holsterhausen seit 1995

An der Freiheitsstraße in Holsterhausen wurde 1995 ein Partnerschaftsbrunnen aufgestellt, den der Metallbildner Hermann Kunkel (Raesfeld) gestaltet hatte. Die Wappenschilde im oberen Bereich stellen die acht Partnerstädte dar. Dabei wurden die 1984 eingegangenen Partnerschaftsstädte Hod Hasharon und Rybnik schlichtweg vergessen und der Fehler jahrelang nicht korrigiert. Erst durch Intervention der Stadträtin Petra Somberg-Romanski wurden die Wappenschilde nachträglich angebracht.

Das Zentrum von Crawley

Crawley – Wohnstadt für das übervölkerte London

Die 90.000 Einwohner große Stadt liegt in der Grafschaft Sussex im Südosten Englands an der historischen Straße zwischen London und Brighton. Vor 400 Jahren lud das George-Hotel Königin Elisabeth I. zur Rast. Während die Geschichte des historischen Stadtkerns auf die normannische Besetzung zurückgeht, entstand 1947 zur Entlastung der übervölkerten Hauptstadt ein modernes Crawley, eingebettet in Wälder, Rasen- und Parkanlagen. Zur Stadt gehört der Ortsteil Gatwick. Der gleichnamige Flughafen wurde mit 20.000 Arbeitsplätzen zum größten in Großbritannien ausgebaut.
Partnerschaft: Erste Kontakte kamen durch Vermittlung des Rates der Gemeinden Europas zustande. Sie führten 1973 zur Gründung des „Freundeskreises Crawley“ in Dorsten und zur „Town Twinning Association“ (Partnerschaftskomitee) in Crawley, um die Beziehungen zwischen den Bürgern und Ratsmitgliedern beider Städte zu pflegen. Im Oktober 1973 wurde die Partnerschaft zwischen den Städten eingegangen. 1980 benannte Dorsten eine Straße im Bereich Maria Lindenhof nach Crawley.
Zum 40. Jahrestag der Partnerschaft reiste im Oktober 2013 eine Delegation des britischen Freundeskreises über den Ärmelkanal nach Dorsten. Hier feierten die beiden Freundeskreise Crawley und Dorsten in der Aula des Gymnasium Petrinum das Jubiläum. Neben dem Festakt standen noch eine Schifffahrt und ein Konzert auf dem Programm. – Das Vereinsleben und der Austausch zwischen Dorsten und der befreundeten Stadt in England sind auch nach vier Jahrzehnten noch gut und rege.

Dormans – Ludwig XVI. übernachtete auf der Flucht in der Partnerstadt

Das Wappen von Dormans

Die 3.000 Einwohner große Partnerstadt liegt an der Marne in der Champagne in Frankreich. Die Kirche St. Hippolyte wurde kurz vor dem Jahre 1200 gebaut. In die Geschichte eingegangen ist die Schlacht von Dormans 1575 zwischen den in der Liga verbundenen katholischen und den protestantischen Städten Frankreichs. Bei seinem verfehlten Fluchtversuch übernachtete König Ludwig XVI. im Juni 1791 mit seiner Familie in Dormans. Das Haus trägt seither den Namen „Hotel du Louvre“. Eine weit ins Marnetal sichtbare Gedenkstätte erinnert an die zweite Marneschlacht des Ersten Weltkriegs und überragt die im Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstörte Stadt. Auf dem Soldatenfriedhof ruhen fast 4.000 französische und deutsche Soldaten. Wirtschaftlich bestimmt der Champagner mit 220 ha Weinbergen das Leben der Stadt. Kleine Möbel- und Gerüstbaubetriebe sowie Textil- und Maschinenbaufirmen ergänzen die Wirtschaft.
Partnerschaft: Bereits 1965 wurde mit dem „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ ein Jugendlager in Dormans eingerichtet, an dem 40 Schüler der Beruflichen Schulen und der Gerhart-Hauptmann-Realschule teilnahmen. Daraus erwuchsen enge Beziehungen zwischen den Bürgern beider Städte, die 1981 mit einer Städtepartnerschaft besiegelt wurde. Neben den Städten sind die „Deutsch-Französische Gesellschaft“ und die „Association Amicale Dorsten-Dormans“ Träger der Partnerschaft.

Typische Straße im Innenbereich von Ernée

Ernée – zwischen Normandie und Bretagne

Die französische Stadt im Westen Frankreichs (Département Mayenne) liegt zwischen der Normandie und Bretagne („Tor zur Bretagne“) rund 280 km von Paris entfernt. Ernée wird im 12. Jahrhundert erstmals erwähnt und war im Laufe der Geschichte Leidtragende von Unruhen und Zerstörungen, wie im 100-jährigen Krieg (bis 1448), als die Engländer eine verwüstete Landschaft hinterließen. 50 Jahre später wurde Ernée innerhalb von drei Tagen von bretonischen Truppen niedergebrannt, auch die Religionskriege verschonten die Stadt nicht, die seit 1665 ein Rathaus mit Bürgermeister, einen Leutnant und zwei Schöffen hatte. In der Französischen Revolution plünderten Royalisten Ernée. Die Stadt hat rund 5.800 Einwohner (Stand 2008) und ist reich an alten Herrenhäusern. Größte Arbeitgeber sind Industriefirmen (Oberbekleidung, Schuhe, Leichtmetall, Seilerei).
Partnerschaft: Durch einen französischen Studenten, dem 1961 in Dorsten Rucksack, Geld und Papiere abhanden gekommen waren, kam eine Freundschaft zwischen Bürgern beider Städte in Gang, die 1985 in eine Städtepartnerschaft mündete. Belebt werden die Beziehung von den Ratsspitzen beider Städte sowie Vereinen und der Deutsch-Französischen Gesellschaft.
Amtsleiter organisierte den Jugendaustausch
Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb unter dem Titel „Freunde in der Ferne“ am 19. Mai 1989 über den Beginn der Partnerschaft (Auszug):

„Womöglich ist der Student Jacques Cousin weltweit der einzige Tramper, der eine Städtepartnerschaft ausgelöst hat. Dabei war der Studiosus aus Ernée zunächst überhaupt nicht gut auf Dorsten in Westfalen zu sprechen. Bei einem Zwischenstopp war ihm nämlich in einer Dorstener Kneipe das Gepäck inklusive Brieftasche abhanden gekommen. Der Leiter des Jugendamtes wurde als Dolmetscher eingeschaltet. Ganz unbürokratisch nahm der Beamte den jungen Franzosen mit nach Hause und chauffierte ihn später nach Ernée zurück. Dort lernte der hilfsbereite Amtmann Bürgermeister Ballayer kennen und begann, mit ihm über die Segnungen der Völkerverständigung zu parlieren. Der tatkräftige Amtsleiter setzte die Theorie um und begann, einen Jugendaustausch zu organisieren. Als die jugendliche Begeisterung zu erlöschen drohte, entfachte die Feuerwehr beider Städte – entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit – die Flamme der Partnerschaft aufs Neue, so dass 1985 die Beziehung offiziell besiegelt werden konnte.“

Waslala – Partnerstadt im Bürgerkrieg fast aufgerieben

Von Barkenberg sind es über 9.000 km nach Waslala – doch wer fährt da hin? Foto: Christian Gruber 

Waslala liegt etwa 800 m hoch im Ostteil Nicaraguas am Fluss Waslala (indianisch: „Gelbes Wasser“ oder „Silberfluss“). In den 1950er-Jahren wurde der Ostteil vom Westen her besiedelt und 1956 bekam Waslala die erste katholische Kirche. 1965 gab es in dem Gebiet Guerilla-Aktionen der Sandinisten gegen den herrschenden Diktator Somoza, was zur Errichtung einer Militärgarnison in Waslala führte. Nach der sandinistischen Revolution von 1979 wurde eine neue Straße gebaut, wodurch Waslala neuen Aufschwung erhielt und die Einwohnerzahl um über 50 Prozent anstieg. Derzeit leben dort etwa 3.000 bis 5.000 Menschen, im gesamten Verwaltungsbezirk Waslala rund 45.000 Einwohner, vorherrschend Mestizen. In Waslala gibt es ein Krankenhaus mit 40 Betten. Die Region lebt von der Landwirtschaft (Mais, Bohnen, Kakao, Zuckerrohr, Kaffee). Ein Jahr nach Beendigung des Krieges zwischen Sandinisten und Contras 1990 beteiligte sich die Stadt Dorsten an einem Aufforstungsprojekt (Kakaoanbau, Bodenkonservierung) in Waslala, das hauptsächlich von dem deutschen Unternehmen Ritter-Schokolade mit Millionenbeträgen finanziert wurde (wird), und an dem sich über 800 Bauern beteilig(t))en.
Partnerschaft: Sie entstand 1985 auf Grund eines Bürgerantrags des Arbeitskreises Dritte Welt des Paul-Gerhardt-Hauses. Träger ist neben der Stadt der „Freundeskreis Nicaragua e. V.“, der durch etliche Aktivitäten (Waslala-Tage, Vorträge, Konzerte, Ausstellungen)  in Kooperation mit Dritte-Welt-Initiativen die Verhältnisse in Zentralamerika näher bringt und für Hilfe zur Selbsthilfe in Waslala wirbt. Im November 1985 besuchte der Schauspieler und Nicaragua-Experte Dietmar Schönherr Dorsten und informierte sich bei Bürgermeister Heinz Ritter über den Stand der Städtepartnerschaft mit Waslala. Ansonsten scheint es sehr ruhig geworden zu sein mit der Partnerschaft.

Blick auf Newtownabbey

Newtownabbey – Zuerst reger Besucheraustausch, dann Erlahmung

Die 72.000 Einwohner große Stadt ist eine moderne Gründung mit alten Stadtvierteln und liegt rund zehn Kilometer nördlich von Belfast. Um 1800 begann die Industrialisierung in der Gegend von Newtownabbey, in der Landwirtschaft (Baumwolle, Flachs) vorherrschte. Die zweite Industrierevolution fand nach den Zweiten Weltkrieg statt. Der Distrikt in der heutigen Gestalt wurde 1973 gegründet und umfasst die Stadtbereiche von Newtownabbey, die Stadt Ballyclare sowie mehrere frühere Landbezirke von Larne und Antrim. Zum Stadtkern gehören heute mehrere frühere Dörfer und ehemalige eigenständige Städte. Die Gründung der Universität 1984 (Kunst, Wirtschaft, Sprachen, Erziehungswissenschaften, Technologie, Sozialwesen, Medizin) trug wesentlich zur Entwicklung der Stadt bei. Die Wirtschaft basiert hauptsächlich auf Landwirtschaft und Industrie (Leinen, Schiffbau, Tabak, Nahrungsmittel).
Partnerschaft: Sie begann mit einem verschwundenen Kotelett
Als es für junge Deutsche kaum eine Möglichkeit gab, das Ausland kennenzulernen, tat sich im Jahre 1950 bei einem Informationstreffen einer nordirischen Delegation mit dem damaligen Jugendring der Stadt Dorsten plötzlich ein Tor für sie auf. Beim Abendessen auf Schloss Beck verschwand das Kotelett eines Dorstener Jugendlichen, worauf sein Gesprächspartner, der nordirische Pfarrer Harold R. Allen, sein eigenes sofort teilte. So entstand eine Freundschaft, bei der es nicht einfach war, beide Seiten von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen.
Vom 11. bis 27.Juni 1952 fand die erste Reise junger Dorstener aus der Gemeinde Hervest in die nordirischen Gemeinden Bangor und Groomsport statt. 1956 übernahm Pfarrer Harold R. Allen die presbyterianische Gemeinde von Ballyclare – heute Stadtteil von Newtownabbey – ca. 10 km nördlich von Belfast. In den Jahren 1956 bis 1968 engagierte sich die Kirchengemeinde Hervest in der noch jungen Freundschaft, seit 1959 fanden regelmäßige Besuche untereinander statt. So fuhren die Hervester in den Jahren 1959, 1960, 1961, 1962 und 1967 nach Ballyclare. Die evangelische Gemeinde Holsterhausen setzte ab 1968 die Pflege der Kontakte fort. Jetzt waren es die nordirischen Freunde, die in der Zeit beginnender Unruhen Hilfe und Unterstützung brauchten. Eine Gemeindefahrt 1971 mit den Pfarrern Hermann Schneider und Wolf-Dietrich Rienäcker festigte in dieser Zeit die Freundschaft, obwohl die Angst vor dem Bombenterror manche Dorstener Bürger immer wieder davor zurückschreckte, einen Besuch in Nordirland zu machen. Damals haben die Dorstener das Taschentuch zurückgeholt, das der Leiter der 1959er-Gruppe – Rudolf Bögershausen – beim Ablegen im Hafen von Larne zum Trocknen der Abschiedstränen an Land geworfen hatte. „Dieses Taschentuch existiert heute noch“, versichert Wolf-Dietrich Rienäcker im Juni 2009. Es wandert zwischen Ballyclare und Dorsten hin und her und die jeweiligen Reisen sind durch besondere Sticker darauf verewigt.
„Partnerschaft mit dem Taschentuch“
In einem frühen Bericht der Bundesregierung wurde die Dorstener Nordirland-Patenschaft daher auch als „Partnerschaft mit dem Taschentuch“ bezeichnet. 1969, 1976 und 1982 und auch in den späteren Jahren (bis heute) kamen und kommen Gruppen aus Ballyclare nach Dorsten, aber in umgekehrter Richtung war es schwierig, Gruppenreisen zu organisieren – auch wenn der Faden durch Einzelbesuche nie abriss. Im Jahre 1983 wurden die regelmäßigen Fahrten wieder aufgenommen.
Stadt trat 1988 in die Partnerschaft ein
Von 1971 an betreute Pfarrer Rienäcker in Holsterhausen die Freundschaft. Auf irischer Seite hat sich Pfarrer Harold R. Allen stark engagiert. Als Dank für diese besondere Arbeit wurde dem engagierten Nordiren am 17. November 1987 vom deutschen Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz verliehen. Rudolf Bögershausen erhielt im Juni 1991 durch die britische Königin den Orden MBE („Honorary Member of the Most Excellent Order of the British Empire“) für seine langjährigen Verdienste im partnerschaftlichen Austausch. Es waren vor allem die Bitte Harold Allens und der gemeinsame Antrag der Holsterhausener Kirchengemeinden, die die verantwortlichen Politiker in Dorsten veranlassten, über eine Städtepartnerschaft nachzudenken. So beschloss der Rat der Stadt Dorsten in seiner Sitzung am 21. Juni 1988, eine offizielle Partnerschaft mit Newtownabbey einzugehen.
Die Folge war eine Vermehrung der Kontakte
Hervorzuheben ist die jahrelange Freundschaft zwischen dem Gymnasium Petrinum und der Ballyclare High School oder die der Kirchengemeinde St. Urbanus in Rhade mit der katholischen Gemeinde St. Bernard`s in Glengormley, einem Stadtteil Newtownabbeys. Auch die Beruflichen Schulen in Dorsten, der BVH in Holsterhausen, die Jugendmitarbeiter in Dorsten und viele andere – so wie zuletzt die Regenbogenwerkstatt e. V. mit einem Malprojekt in Newtownabbey – streckten ihre Arme in die Partnerstadt aus. Auf der Seite der Stadtverwaltung tat sich sehr viel. Wirtschaftliche Kontakte, die Vorbereitung zur „Kulturhauptstadt 2010“ und die enge Dreiecksbeziehung zwischen Dorsten, Rybnik und Newtownabbey auf kommunaler Ebene sind Ergebnis eines engen Austausches.
Im November 2007 trat Rienäcker als Vorsitzender des Freundeskreises aus Altersgründen zurück. Nach 37 Jahren hat er mit Geduld, Mut und Beharrlichkeit erreicht, dass die Freundschaft, die er damals über die Grenzen noch unversöhnter Kriegsgegner hinweggetragen hat, eine feste Größe geworden ist. Als Dank und Anerkennung für die „Nordirland-Initiative“ wurden ihm und der Kirchengemeinde Holsterhausen im November 2000 der „Förderpreis Konziliarer Prozess – für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ – durch die westfälische Landeskirche überreicht. Am 9. Oktober 2008 erhielt Pfarrer Rienäcker den „Freedom of the Borough of Newtownabbey“, die höchste Auszeichnung einer britischen Stadt.

Eine historische Ansicht Hainischens Mitte der 1920er-Jahre

Hainichen – Mit der DDR-Stadt heute kaum noch Kontakte

Dorsten und die Gellert-Stadt Hainichen verbindet eine innerdeutsche Partnerschaft, die in der Wendezeit 1990 begann. Die 9.112 Einwohner große Stadt liegt in Sachsen zwischen Chemnitz und Dresden. Bei der Wiedervereinigung verlor Hainichen den Status einer Kreisstadt. Seit 1283 ist der 1342 zur Stadt erhobene Marktflecken nachgewiesen. Tuchmacher aus Sachsen, Franken und Thüringen siedelten sich an. Handel, Bierbraukunst und Handwerk bestimmten das Wirtschaftsleben, später entwickelten sich die Leinen- und Tuchwebereien. Ein Großbrand zerstörte 1644 innerhalb einer Stunde 70 Häuser, das Rathaus, die Kirche, das Pfarrhaus und die Schule. Im Siebenjährigen Krieg (1756 bis 1763) waren in Hainichen abwechselnd preußische und österreichische Truppen einquartiert, was zur Folge hatte, dass sich Armut und Krankheiten ausbreiteten. 1813 besetzen napoleonische Truppen unter General Bertrand die Stadt, 50 Bürger starben an Typhus und 1832 zerstörte wiederum ein Großfeuer fast die gesamte Stadt. 1933 errichteten die Nationalsozialisten im Volks- und Sportheim Hainichen ein Schutzhaftlager, die SS 1945 im Großbürger Wald ein „Übergangslager“ für 1.500 Jüdinnen aus ganz Europa. Nach dem Krieg wurden in Hainichen der Barras B produziert, ein Kleintransporter in 17 Varianten und Spezialausführungen. 1980 verließ der 100.000 Barras das Hainichener Montageband, sieben Jahre später der 150.000. Transporter.
Gewerbepark an der Dorstener Straße
Die Bürgermeister von Hainichen und Dorsten übergaben Mitte Juli 2012 mit Benennung einer Straße in „Dorstener Straße“ einen neuen Teil des Gewerbeparks in Hainichen seiner Bestimmung. Die Familie Fuchs, Inhaber der Firma Baker Bau, wird im Gewerbepark an der Autobahn A 4 eine Hauptniederlassung errichten und gleichzeitig die Entwicklung und Vermarktung von etwa 25 ha Gewerbeflächen übernehmen. Die Firmengruppe der Familie Fuchs hatte auch in Dorsten das Unternehmen B+F übernommen und die Idee der Straßenbenennung gehabt. Berühmt sind zwei Hainichener geworden: der Fabeldichter Christian Fürchtegott Gellert (1715 bis 1769) und der Erfinder der Holzschleifmaschine Friedrich Gottlob Keller (1816 bis 1895). – Die Industriebetriebe zu DDR-Zeiten sind inzwischen aufgelöst (Lederfabrik, Autokarosserie). Die Arbeitslosenquote lag 2011 bei 11,67 Prozent.
Partnerschaft: Zwei Dorstener Bürger machten 1990 in euphorischer Wiedervereinigungszeit den Vorschlag, mit Hainichen eine neue Städtepartnerschaft einzugehen, dem beide Räte nur drei Monate später zustimmten. Eigentlich war dies eine Notlösung, denn die favorisierte sächsische Stadt Freiberg hatte wegen anderer Disposition abgelehnt. Hainichen lag in der Nähe und hatte noch keinen westdeutschen Partner. Die Dorstener Verwaltung unterstützte nach der Wiedervereinigung die Umstellung der Wirtschaft und den bislang erfolglosen Aufbau eines Gewerbegebietes. Die Kontakte pflegen u. a. in Dorsten der „Freundeskreis Hainichen e. V.“ und in Hainichen der „Freundeskreis Dorsten“. Treibender Motor in Hainichen war Bürgermeister Uwe Schönfeld, der dieses Amt lange auch in der DDR-Zeit ausgeübt hatte. Er wurde 1998 wegen „Unfähigkeit im Amt“ von Werner Zwinzscher abgelöst. Auch sagte man dem scheidenden Bürgermeister Stasi-Kontakte nach. – Nachdem es in Dorsten Straßen gibt, die nach den Partnerstädten Crawley, Dormans, Rybnik, Ernée und Waslala benannt sind, wurde 2014 auf dem ehemaligen Zechengelände eine Straße „Hainichenring“ benannt. Hainichen hat in einem dortigen Gewerbegebiet eine „Dorstener Straße“ eingerichtet. Die Partnerschaft scheint heute erlahmt zu sein.

Rybnik – Mit Vertriebenen Patenschaft, mit der Stadt Partnerschaft

Rybniker Marktplatz 2008

Die oberschlesische Industriestadt Rybnik (150.000 Einwohner, Steinkohlebergbau, Hüttenwerke) in Polen hat slawische Ursprünge und eine deutsche Vergangenheit. Um 1308 bekam Rybnik, wo sich bereits seit 1223 ein Prämonstratenserinnenkloster befand, Stadtrechte verliehen; es gab eine Kirche und eine fürstliche Burg, eine Schule für Edelfräuleins und zwei Wirtshäuser. Die mittelalterliche Geschichte ist wechselvoll. 1607 wurde Rybnik mit den umliegenden Ortschaften ein selbstständiger Staat, der so genannte „Rybniker Staat“. Danach wurde die Stadt österreichisch, dann preußisch und kam 1871 an Deutschland. 1922 gelangte Rybnik durch Aufstände an Polen. Im Zweiten Weltkrieg wurde Rybnik bis 1945 wieder deutsch, danach wieder polnisch. Früher arbeiteten im Bergbau 20.000 Rybniker; bis heute ist diese Zahl rapide gesunken. Die Stadt lebt von Maschinenfabriken, Elektronik, Bauwesen, Transport und Lebensmittelherstellung.

Patenschaft mit den Ex-Vertriebenen und Partnerschaft mit der Stadt
Der Partnerschaft war eine jahrzehntelange Patenschaft (eingegangen 1958) der Stadt mit dem Vertriebenverband der Rybniker in der Bundesrepublik vorausgegangen, der seine Rybniker Heimattreffen in Dorsten abhielt. Begünstigt durch die politischen Veränderungen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, entstanden persönliche Beziehungen zwischen den Bürgern beider Städte, die 1994 in die Städtepartnerschaft mündeten. Auf dem Hansetag 1995 in Soest waren Dorsten und Rybnik mit einem gemeinsamen Informationsstand vertreten. Getragen wird die Partnerschaft u. a. vom „Freundeskreis Rybnik e.V.“, und der „Bundesheimatgruppe Rybnik“ (Rybniker Heimatbund).
Auseinandersetzung zwischen Heimatbund und Freundeskreis Rybnik
Zwischen diesen beiden Gruppen gab es anlässlich des 21. Heimattreffens der Rybniker in Dorsten 1997 eine öffentlich ausgetragene Kontroverse. In einer gemeinsamen Sitzung des Heimatbundes Rybnik und des Freundeskreis Rybnik mit Bürgermeister Dr. Zahn (Dorsten), Ratsmitgliedern und dem Bürgermeister von Rybnik, begründete der Vorsitzende des Dorstener Partnerschaftsvereins Rybnik, Dr. Thelen, seinen Willen, mit den Heimatvertriebenen mangelhaft oder gar nicht kooperieren zu wollen. Sein Verein, so Thelen, bewältige die Zukunft und die „anderen“ die Vergangenheit. Zudem gäbe es in Rybnik eine deutsche Minderheit von nur noch 1,5 Prozent. Beide Vereine hätten unterschiedliche Ziele, er, Thelen, wolle „die Versöhnung“. Bürgermeister Dr. Zahn wies „solche Töne“ des Dorstener Freundeskreises Rybnik zurück und meinte, als Freundeskreis Rybnik müsse man auch denen gastfreundlich gegenüberstehen, die als Deutschstämmige zum Heimattreffen nach Dorsten gekommen seien. Rybniks Bürgermeister Makosch erklärte, dass in Rybnik heute kein Unterschied mehr gemacht werde zwischen den Zielen der Heimatvertriebenen und denen der heutigen Jugend. Versöhnung sei das Ziel aller. Dazu gehörten auch die Heimatvertriebenen und das Bekenntnis zur deutschen Geschichte in Polen und zur polnischen Geschichte. Die Menschen, die mit Rybnik ihre Heimat verloren hätten, müssen diesen Verlust notwendigerweise für die Gegenwart dokumentieren, damit die Zukunft versöhnlicher sei.
2008 am Rathaus eine Gedenktafel angebracht
Seit 2012 leitet Adam Juzek auf Rybnik den Dorstener Freundeskreis, dem er seit Gründung angehört. Er ist Bergwerksingenieur und stammt aus einem Nachbarort von Rybnik. 1982 kam er von dort ins Ruhrgebiet, zuerst nach Essen, dann nach Dorsten, wo er auf der Zeche Fürst Leopold arbeitete. Seine Mutter ist als Nachfahrin der ersten „Ruhrpolen“ in Bottrop geboren worden, bevor ihre Familie zurück nach Schlesien ging. – Im Jahre 2008 wurde am Dorstener Rathaus eine Gedenktafel zum 50. Jahrestag der Patenschaft mit Rybnik angebracht. Wie Dorsten unterhält Rybnik auch eine Partnerschaft zu Newtownabbey.

Blick in das moderne Hod Hasharon

Hod Hasharon – Partnerschaft scheint heute völlig entschlafen zu sein

Dorstens israelische Partnerstadt Hod Hasharon („Perle des Bezirks“) liegt etwa 22 km nordöstlich von Tel Aviv an der alten römischen Heerstraße, die Jerusalem mit Caesaraea verband. Die heute 35.000 Einwohner große Stadt entstand in den 1960er-Jahren durch Zusammenlegung von fünf kleinen Gemeinden: Ramataim ist die älteste (gegründet 1924), Ramat Hadar, Hadar und Magdiel. 1991 wurde dieser Zusammenschluss zur Stadt erhoben. Hod Hasharon ist eine typische Pionierstadt der 1930/40er-Jahre. Im Ortsteil Ramat Hadar leben viele deutschstämmige Familien, die bereits in den 1930er-Jahren nach Palästina einwanderten.
Partnerschaft: Noch bevor Hod Hasharon 1994 Partnerstadt wurde, gab es vielfältige Kontakte: Forschungsgruppe Dorsten unterm Hakenkreuz, St. Ursula-Gymnasium, Jüdisches Museum, Freundeskreis Dorsten-Hod Hasharon (später umbenannt in Deutsch-Israelischer Freundeskreis Dorsten-Hod Hasharon). Auch Dorstener Bürger fuhren immer wieder nach Hod Hasharon wie die Stadträtin Petra Somberg-Romanski und der Autor dieses Artikels. Bürger in Hod Hasharon sammelten für das jüdische Museum zu dessen Eröffnung Exponate. Im Stadtteil Ramat Hadar wurde 1994 ein Dorsten-Park eröffnet. Gegenseitige private und offizielle Besuche und Reisen vertieften die Beziehungen. Ein 1984 gepflanzter Dorsten-Baum ist allerdings eingegangen – ein Omen?
In den 2000er-Jahren wurde von Seiten der Verwaltung in Hod Hasharon die Partnerschaft nicht mehr gepflegt, der Deutsch-Israelische Freundeskreis Dorsten-Hod Hasharon übte keine Aktivitäten mehr aus, so dass der Freundeskreis 2010 wegen Inaktivität aufgelöst wurde. Das Vermögen ging an das Jüdische Museum Westfalen. – Bei einem Besuch von Bürgermeister Lütkenhorst und seines für Städtepartnerschaften zuständigen Mitarbeiters Ludwig Küpers im März 2011 in Hod Hasharon wurde in Gesprächen mit dem dortigen Bürgermeister Hay Adiv beschlossen, die Städtepartnerschaft zwischen Dorsten und der israelischen Stadt zu reaktivieren. Ende 2012 nahm Bürgermeister Lütkenhorst mit seinem Mitarbeiter Ludwig Küppers aus dem Bürgermeisterbüro an einem vom Israelisch-deutschen Städte- und Gemeindebund initiierten Kommunalkongress in Jerusalem teil und besuchte bei dieser Gelegenheit auch die Partnerstadt Hod Hasharon. 2014 war überraschend Hod Hasharons stellvertretender BürgermeisterAmir Kochavi in Dorsten, wo er von Bürgermeister Tobias Stockhoff empfangen wurde. Im Gespräch waren sich beide Kommunalpolitiker einig, die „Funkstille“ in dieser Städtepartnerschaft zu beenden und den Austausch, der jahrelang brachlag, wieder zu intensivieren. Außer Reisen und Sprechblasen der Politiker scheint daraus nichts geworden zu sein.

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Quelle: Stadt Dorsten (Hg.) „Dorsten und seine Partnerstädte“, Dorsten 1996. –  WAZ vom 29. und  30. November 1982. – RN vom 30. November 1982. – RN vom 19. September 1983. – DZ vom 15. September 1997. – DZ vom 31. Mai 2014. – Homepage des Parterschaftsvereins (2014)
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