Abwassergebühren zur Sanierung des städtischen Haushalts missbraucht

8. Jan. 2012. drf – Es ist wieder soweit. In Kürze wird die Stadtverwaltung die Abgabenbescheide für die Abwasserbeseitigung versenden. Wahrscheinlich müssen die Bürger wieder mit einer Erhöhung rechnen.

Demgegenüber hat der Bund der Steuerzahler vor einigen Monaten die Abwassergebühren einmal mehr als überhöht angeprangert und die Gemeinden aufgefordert, die Spielräume zur Senkung der Gebühren zu nutzen. Davon wollen die Gemeinden aber überhaupt nichts wissen und setzen statt dessen weiter auf die bewusste Täuschung der Bürger. Sie berufen sich darauf, dass die Abwassergebühren dem Kostendeckungsprinzip folgen, verschweigen allerdings, dass die Frage der Angemessenheit der Gebühren auf einer anderen Ebene beantwortet wird, nämlich auf der Ebene der Gewinnermittlung nach handelsrechtlichen Maßstäben  – wie bei jedem gewöhnlichen gewerblichen Unternehmen.

Durch den gebetsmühlenartig wiederholten Hinweis der Kämmerer, dass der Gebührenhaushalt ja mit einem Ergebnis von Null abschließt, wird gegenüber dem Bürger der Eindruck erweckt, dass im Zuge dieser hoheitlichen Leistungserbringung keine Gewinne erwirtschaftet werden. Dieser Eindruck ist falsch. Beim Abwasser sprudeln die Gewinne! Die tatsächlich nach HGB erwirtschafteten Gewinne werden aber nicht nur nicht offengelegt, sondern durch äußerst kreative Buchungspraktiken verschleiert. Dass das überhaupt möglich ist, hat seinen Grund: das Oberverwaltungsgericht Münster und die Landesregierung haben die Gebührenkalkulation zur Manipulation freigegeben, ohne Obergrenzen zu setzen. Das führt dazu, dass in die Gebührenkalkulation Kosten in einer Höhe eingesetzt werden, die weit über den tatsächlich entstehenden laufenden Aufwendungen liegen. Das Mittel dazu sind die sogenannten kalkulatorischen Kosten. Wenn aber die kalkulatorischen Kosten im Gebührenhaushalt über den Ist-Aufwendungen liegen, entstehen zwangsläufig Gewinne nach handelsrechtlichen Maßstäben.

Verschleierungstaktik der Verwaltung

Der Verschleierungstaktik der Gemeinden entsprechen die Begründungen, die für hohe Abwassergebühren gegeben werden. Es müsse ein finanzielles Polster angespart werden für einen Neubau des Kanalsystems, heißt es. Wo sind diese Polster? Es gibt sie nicht. Auf eine kürzliche Anfrage bei der Stadt Dorsten, für wann denn der Neubau des Kanalnetzes geplant sei, lautete die  schriftliche Antwort: ein Neubau ist nicht nötig, da das Kanalnetz durch fortlaufende Instandhaltungsmaßnahmen erhalten wird. Man spart also vorgeblich ein finanzielles Polster an für den Neubau des Kanalnetzes an, der aber gar nicht beabsichtigt ist?

Wie weit die Manipulation der Gebührenhaushalte geht, zeigt ein weiteres Beispiel. Im Haushaltsplan der Stadt Dorsten 2010 wird der Abwasserbereich offen zu einem Sanierungsbeitrag zur Stabilisierung der desolaten Finanzlage herangezogen. Im Maßnahmenkatalog zur Haushaltssicherung ist er für 2010 und die Folgejahre mit 1,5 Mio. Euro beziffert – durch „Neustrukturierung der Gebührenkalkulation“! Die Kreativität der Kämmerer geht dabei so weit, dass trotz dieses zusätzlichen Millionengewinns nicht ein einziger Euro Überschuss im Gebührenhaushalt ausgewiesen wird.

Die Zusammenhänge von Gebührenhaushalt und Ergebnisermittlung nach handelsrechtlichen Maßstäben sind komplex. Die Kämmerer können darauf vertrauen, dass der Bürger sie kaum versteht, und sie haben natürlich auch kein Interesse daran, dass sich das ändert. Mit diesem Wissensvorsprung zieht auch die Stadt Dorsten ihre Bürger bei den Abwassergebühren kaltblütig über den Tisch.

Abwassergebühr wird zur kommunalen Sondersteuer

Und weiter: die Maßnahmen zur Instandhaltung des Kanalnetzes werden, jedenfalls in Dorsten, nicht wie sonst üblich gewinnmindernd als Erhaltungsaufwand behandelt sondern als Investitionen. Diese Investitionen werden zu 100 Prozent durch langfristige Kredite finanziert, während der so entstehende Zusatzgewinn dem allgemeinen Haushalt zugeführt wird. In einer großen deutschen Zeitung war inzwischen von Gebührenmissbrauch die Rede. Viele Gemeinden, darunter auch die Stadt Dorsten, verhalten sich so, wie man es gemeinhin jedem Monopolanbieter unterstellt: sie tut alles, um ihre Gewinne im Bereich der Abwasserbeseitigung zu maximieren, zu Lasten der Bürger.

Tatsächlich haben die Abwassergebühren mit einem bedeutenden Anteil den Charakter einer kommunalen Sondersteuer angenommen, die in den allgemeinen städtischen Haushalt  einfließt. Wirklich inakzeptabel ist, dass die Gemeinden ihre Bürger über die Höhe der erwirtschafteten Gewinne bewusst täuschen oder jedenfalls im Unklaren lassen. Man darf getrost davon ausgehen, dass selbst die Ratsmitglieder, die den Gebührenhaushalt genehmigen, es nicht besser wissen.

Keine Gemeinde wird gezwungen, so zu verfahren; es gibt andere Beispiele. Die Bürger sollten das nicht länger hinnehmen und die Ratsmitglieder auffordern, von den Verwaltungen die Offenlegung des im Abwasserbereich erwirtschafteten Gewinns nach HGB zu verlangen und so Transparenz herzustellen. Dann kann der Gemeinderat bei der Verabschiedung des Gebührenhaushalts entscheiden, welche Gewinnhöhe er in diesem Bereich der hoheitlichen Leistungserbringung für angemessen und gegenüber dem Bürger für vertretbar hält. Bislang entscheidet darüber die Verwaltung faktisch alleine.

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