US-Gedenktafel am Schloss Lembeck – Erinnerung an den Tod des US-Soldaten Clinton Hedrick 1945 am Außentor, der mit einem Feuerstoß sechs deutsche Soldaten tötete

Enthüllung der Gedenktafel am 3. November 2021 am Schlosstor Fotos (2): Guido Bludau

Von Wolf Stegemann

Noch heute weisen Einschusslöcher links und rechts am Tor von Schloss Lembeck auf ein Kriegsereignis am 28. März 1945 hin. Damals hatten die Schüsse Folgen. Der junge US-Sergeant Clinton M. Hedrick wurde beim Einmarsch der amerikanischen Truppen durch ein Geschoss so schwer verletzt, dass er auf dem Weg in ein Lazarett starb. Im zweiten Weltkrieg mit seinen rund 50 Millionen Kriegstoten, darunter über 407.000 Amerikaner, zahlenmäßig eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch die Veteranen des Regiments nahmen vor längerer Zeit Kontakt mit dem Schlossbesitzer Ferdinand Graf Merveldt auf. Sie besuchten mehrmals den Ort, an dem ihr mit hohen Ehren posthum ausgezeichneter Kamerad gefallen war. Aus dem Kontakt entstanden ein Freundeskreis und die Idee, an dem Torbogen mit den Einschüssen eine Gedenktafel an den dort gefallenen Clinton Hedrick anzubringen. Eigentlich sollte dies am 75. Jahrestage geschehen, doch der Termin – und somit der Besuch der Amerikaner – musste wegen Corona verschoben werden. Am 3. November 2021 war es dann soweit. Zur Enthüllung der Tafel (Foto), die der Holsterhausener Bildhauer Rainer Kuehn gefertigt hatte (Foto unten), waren rund 30 Mitglieder des Hedrick-Freundeskreises aus den USA angereist. Zu der Reisegruppe gehörten auch zwei jeweils schon 97-jährige Veteranen: Gilbert Herrera und Richard Weawers. Neben dem Hausherrn, Ferdinand Graf von Merveldt waren noch der Organisator Jos Bex und auch Dorstens Bürgermeister Tobias Stockhoff dabei. Er würdigte Hedrick als einen Soldat, der den Opfern (gemeint wohl den im Krieg Gefallenen) ein Gesicht  gebe. Nachzuhören auf einem kurzen Video unter „dorstenerzeitung.de“. Dieses „Gesicht“ im Ablauf der Ereignisse am 27. und 28. März 1945 sollte näher betrachtet werden.

 Amerikanische Truppen waren auf dem Weg vom Rhein ins Münsterland

Die Wehrmacht hatte beim Rückzug die Rheinbaben-Brücke bei Wesel gesprengt, um den Amerikanern den Vormarsch zu erschweren. Doch die Amerikaner kamen dennoch über den Rhein. Bei der Eroberung des Großraumes Münsterland kamen sie an Lembeck vorbei und besetzten das Schloss. Doch das Tor der Vorburg war verschlossen. Es wurde aufgeschossen. Deutsche Soldaten hatten sich über den Wassergraben zurückgezogen. Im US-Internet ist diese Schilderung nachzulesen, die damalige amerikanischen Soldaten als Augenzeugen gegeben hatten.
„Die Feinde zogen sich über einen Wassergraben in die Burg zurück“, heißt es. „Sergeant Hedrick stürzte sich unter völliger Missachtung seiner eigenen Sicherheit allein über die Zugbrücke, um sie zu verfolgen.“ Anschließend habe er mit vier seiner Männer den Schlosshof betreten, weil sich die deutsche Garnison ergeben wollte. Unglücklicherweise geriet er dabei in den Hagel eines deutschen Geschosses. Clinton Hedrick starb während der Evakuierung, nachdem die Burg eingenommen war. Dem getöteten US-Sergeanten wurde in seiner Heimat in West Virginia ein großes Denkmal gesetzt und er erhielt posthum eine der höchsten US-Militärauszeichnungen, wegen „seiner heldenhaften Führung“.

Clinton M. Hedrick eroberte mit einem Gewehr Schloss Lembeck

Wer war dieser Clinton M. Hedrick? Er wurde am 1. Mai 1918 in Cherry Grove/West Virginia geboren, besuchte vier Jahr lang eine Highschool, war dann in der Landwirtschaft tätig und trat im September 1940 in die Armee ein. Ab 1941 nahm er am Kriegsgeschehen in Europa teil. Im Dezember 1944 leistete die 550. Infanterie-Luftlandedivision, der er angehörte, der deutschen Ardennenoffensive massiven Widerstand. Die Verluste, die Hedricks Einheit zugefügt wurden, waren so schwer, dass die Infanterie-Luftlandedivision aufgelöst und ihre Soldaten für den Rest des Krieges auf andere Infanterieeinheiten verteilt wurden. Hedrick trat der Kompanie I der 194. Segelflug-Infanterie in der 17. Luftlandedivision bei, wo er zum technischen Sergeant befördert wurde. Zwei Monate nach der Ardennenoffensive überquerte sein Regiment mit alliierten Streitkräften den Rhein in der Nähe von Wesel, um über die Norddeutsche Tiefebene norddeutsche Städte einzunehmen mit dem Ziel Berlin.
Die „Operation Varsity“ war die erste Segelflugzeuglandung des 194. Segelflugzeug-Infanterie-Regiments. Ihr Ziel war es, nördlich von Wesel in einem großen flachen Gebiet zu landen, wo die Issel und der Isselkanal zusammenflossen, und den Übergang über den Rhein zu besetzen. Am Abend des 24. März 1945 überquerte Hedrick mit dem 194. Regiment und seinen 42 Artilleriegeschützen und zehn Panzern den Rhein. Mehr als 1000 deutsche Soldaten wurden gefangen genommen. Bis zum 26. März sammelten die Alliierten auf der deutschen Rheinseite genügend Truppen, um einen Vormarsch nach Osten zu beginnen. Am folgenden Tag rückte Clinton M. Hedrick mit der I. Kompanie als Angriffskeil zum Vormarsch an, der an Lembeck vorbeiführte. Als sich die Einheit dem Dorf Lembeck näherte (in den US-Archivalien als Stadt bezeichnet), wurde sie dreimal „von intensivem automatischen Waffenfeuer getroffen“. Jedes Mal stürmte Hedrick durch das Feuer und schoss sein Browning Automatic Rifle aus der Hüfte, so steht es in der Urkunde „Medal of Honor“, die ihm posthum verliehen wurde. Sein mutiges Vorgehen regte seine Männer an, dass sie schnell hintereinander die deutschen Stellungen überrannten.

Auf seinem Grabstein steht seine Eroberungsgeschichte des Schlosses

Auf der Vorderseite des großen Grabdenkmals Hedricks steht die Geschichte, wie er das Schloss Lembeck eroberte, dabei zu Tode kam und im Oktober 1945 posthum mit der „Medal of Honor“ ausgezeichnet wurde. Hier die stilgetreue Übersetzung:
„General Order No. 89: Er bewies am 27.-28. März 1945 in Deutschland außergewöhnlichen Heldenmut und Tapferkeit. Nach einer Luftlandung bei Wesel wurde seine Einheit als Angriffszug für den Angriff auf Lembeck eingesetzt. Dreimal wurden die Landeelemente durch intensives automatisches Waffenfeuer aus stark verteidigten Positionen niedergeschossen. Jedes Mal stürmte Sergeant Hedrick furchtlos durch schweres Feuer, schoss mit seinem automatischen Gewehr aus der Hüfte und reduzierte in rascher Folge die feindlichen Stellungen. Als sechs der Feinde eine überraschende Flankenbewegung versuchten, drehte er sich schnell um und tötete die gesamte Gruppe mit einem Feuerstoß. Später zog sich der Feind über einen Wassergraben in die Burg Lembeck zurück. Sergeant Hedrick, ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit, stürzte sich allein bei der Verfolgung über die Zugbrücke. Als ein deutscher Soldat mit erhobenen Händen erklärte, die Garnison wolle sich ergeben, betrat er mit vier seiner Männer den Burghof, um die Kapitulation anzunehmen. Dabei wurden sie von einer deutschen Selbstfahrlafette beschossen. Obwohl tödlich verwundet, feuerte Sergeant Hedrick auf den Feind und deckte den Rückzug seiner Kameraden. Er starb bei der Räumung nach der Einnahme der Burg, sein großer persönlicher Mut und seine heldenhafte Führung trugen in hohem Maße zur schnellen Einnahme von Lembeck bei und gaben seinen Kameraden ein inspirierendes Beispiel.“

In den USA ist Clinton Hedricks Kampfeinsatz in Lembeck eine Heldentat

Am 19. Oktober 1945 wurde ihm posthum die Ehrenmedaille „Medal of Honor“ des US-Kongresses verliehen. Sein Leichnam wurde nach dem Krieg in die Vereinigten Staaten zurückgebracht und ursprünglich auf dem Cherry Grove Cemetery in Cherry Grove, West Virginia, beigesetzt, am „Memorial Day“ 1991 auf dem North Fork Memorial Cemetery in Riverton, West Virginia. Dort wurde ihm zu Ehren ein großes Denkmal errichtet, das an sein kriegerisches Handeln während des Krieges in Lembeck erinnert, das von den Amerikanern als „selbstlos“ angesehen wird. Sein Name ziert aktuell das Fußballstadion in Fort Bragg, North Carolina, und einen Baum im Medal of Honor Grove der Freedoms Foundation in Valley Forge, Pennsylvania. Im Jahr 2011 benannte die Legislative von West Virginia einen Abschnitt der US Route 33 zum „Sergeant Clinton M. Hedrick and World War II Veterans Memorial Highway“.

Und 75 Jahre nach seiner mit einer Browning Automatic Rifle aus der Hüfte schießende „Eroberung“ von Schloss Lembeck schwappte die Hedrick-Helden-Verehrung in den USA nach Lembeck über, wo ihm am 3. November 2021 am Torbogen des Schlosses mit einer Steintafel, mit Blumenkränzen und dem Bürgermeister,dem Schlossbesitzer und US-Besuchern gedacht wurde.

Zur Sache:
Seit 1863 wurde die „Medal of Honor“ 3527-mal verliehen

Die USA sind bekannterweise das Land, das Kriegshandlungen oft unkritisch zu Heldentaten hochstilisiert, auch Krieghandlungen einzelner. Denn das Kämpfen gegen einen Feind des Staates hat in den USA einen hohen politischen und gesellschaftlichen Rang. Die Medal of Honor oder Congressional Medal of Honor („Ehrenmedaille“ oder „Ehrenmedaille des Kongresses“) ist die höchste militärische Auszeichnung der amerikanischen Regierung. Mit ihrer Verleihung sind für den Geehrten und dessen Familie finanzielle Vorteile verbunden. Das Ehrenzeichen wird vom Präsidenten der Vereinigten Staaten im Namen des Kongresses an Mitglieder der amerikanischen Streitkräfte verliehen, die sich „auffallend durch Tapferkeit und Furchtlosigkeit bei Lebensgefahr weit über die Pflichterfüllung hinaus im Gefecht gegen einen Feind der Vereinigten Staaten“ ausgezeichnet haben Durch dieses Kriterium wird die Medaille überdurchschnittlich oft, jedoch nicht immer, postum verliehen. Die Medaille wurde 1861 von Präsident Abraham Lincoln im Sezessionskrieg eingeführt und 1863 erstmals verliehen. Bis 2021 wurden insgesamt 3527 Medals of Honor verliehen, darunter 624 postum.


Quellen: Military Awards for Valor-Top 3 (1. Juni 2021). – NCO-Journal, Army University Press. – US-Wikipedia nina.az (Aufruf Nov. 2021). – The National Archives Gov. – DZ vom 26. März 2020; Guido Bludau in DZ vom 5. Nov. und 10. Nov.  2021.
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