Rolltreppen – die erste in Dorsten wurde 1951 eingerichtet, die zweite kam erst annähernd 30 Jahre später und danach aber mehrere

Von Wolf Stegemann

Heute sind Rolltreppen, die in Fachkreisen Fahrtreppen genannt werden, in öffentlichen Gebäuden, Kaufhäusern und anderen Gebäuden ein ganz normaler Anblick und eine Einrichtung, die ohne Bedenken und Muskelkraft benutzt wird. Das war nicht immer so. Vermutlich die erste Rolltreppe, die in Dorsten zu sehen und zu benutzen war, gab es ab 1951 im Kaufhaus Albert Bieker an der Essener Straße. Das war schon ein Ereignis, denn nur 58 Jahre früher, im Jahr 1893 wurde die erste „mittels Elektrizität getriebene endlose schräge Wandelbahn“ (=Rolltreppe) in einem nicht genauer benannten New Yorker Bahnhof eingebaut, die auch ein bewegliches Geländer besaß. Der Höhenunterschied betrug bei 16 Meter Länge sechs Meter.

Rolltreppen sind ein Merkmal von Urbanität

Ab Ende 1970 begann mit dem Einbau einer Rolltreppe im Kaufhaus Honsel in Holsterhausen der weitere Einzug solcher Personenbeförderungsanlagen in Dorsten. Honsels Rolltreppe wurde 2008 durch einen Glasaufzug ersetzt. Rolltreppen sind ja ein Merkmal für Urbanität, für städtisches Leben. In der Regel gibt es Rolltreppen eigentlich nur an Orten mit viel Publikumsverkehr. Sie haben zwar eine langsamere Fördergeschwindigkeit als Aufzüge, bieten aber den Vorteil, dass sie deutlich mehr Personen aufnehmen können. Ab 1977 beförderte das Kaufhaus Woolworth an der Lippestraße seine Kunden mit Rolltreppen in das Ober- und Untergeschoss, sowohl hinauf wie hinunter. Diese rollen heute noch, auch wenn sich Woolworth 2009 aus Dorsten verabschiedete und das Modehaus Mensing Gebäude und Rolltreppen übernahm.

Missglücktes Rolltreppen-System im Einkaufszentrum Mercaden

Mercaden-Rolltreppe 2016

Eine weitere Rolltreppe gab es im 1982 eröffneten Lippetor-Einkaufszentrum, das nach mehrjährigem Leerstand  2013 abgebrochen wurde, um dem neuen Einkaufszentrum Mercaden Platz zu machen, das 2016 eröffnet wurde. Mercaden ist natürlich auch mit Rolltreppen ausgestattet. Hier rollen die Treppen aber nicht nur für den Transport der Kunden, sondern sie haben auch eine im psychologischen Sinn verkaufsfördernde Aufgabe, wie ein Architekt bei einem Rundgang erläuterte. Im Eingangsbereich stolpert der Besucher fast über eine Rolltreppe, die ihn nach oben bringt, von dort aber nicht mehr hinunter. Werbewirtschaftlich gedacht, sollen die Kunden oben bleiben und an den Geschäften vorbeigehen, um erst danach an der anderen Seite nach unten fahren zu können. Dann müssen sie im Erdgeschoss allerdings wieder die gesamte Länge zurücklaufen, wieder an Geschäften vorbei, um zum Ausgang zu gelangen. Diese Rolltreppen-Verkaufspsychologie scheint aber nicht zu funktionieren, da im Zuge des bevorstehenden Umbaus auch die Rolltreppen kundenfreundlicher gestaltet werden sollen. Personen mit Kinderwagen können die Rolltreppen im Mercaden nicht benutzen. Halbhohe Metallpfosten verhindern das beim Einstieg wie beim Ausstieg der Rolltreppe. Am Tag der Eröffnung gab es eine Panne. Da fehlte der Pfosten im Erdgeschoss. Also fuhr eine junge Mutter mit ihrem Kind im Kinderwagen nach oben und konnte die Rolltreppe nicht mehr verlassen.

 Stadtverwaltung zahlte jährlich 20.000 DM für eine Rolltreppe am Lippetor

Rolltreppe im alten Lippetor-Zentrum 1982

Die sicherlich teuerste Rolltreppe in Dorsten hatte im wahrsten Sinne des Wortes am Rande mit dem früheren Lippetor-Einkaufszentrum von 1982 zu tun. In Verantwortung der Stadtverwaltung wurden vor dem Lippetor die Straßen Westwall und der damalige Willy-Brand-Ring (B224) für Fußgänger unterführt, damit sie von der Lippestraße in das Lippetor-Zentrum sowie von dort die andere Straßenseite des Willy-Brand-Ring mit Kiosk, Bushaltestelle und das Lippetal erreichen konnten. Diese Unterführung hatte jenseits des Willy-Brand-Rings eine Rolltreppe, die hoch zur Straße führte. Die „Ruhr-Nachrichten“ (heute „Dorstener Zeitung“) berichteten damals, dass der Unterhalt dieser Treppe der Stadt damals jährlich 20.000 DM kostete, was dem damaligen Stadtkämmerer trotz schon damals knappem Stadtsäckels wohl nichts ausmachte, denn trotz Kritik lief die Außenbereich-Rolltreppe weiter mit der Begründung, anderes wäre es noch teurer. Im Zuge des Neubaus Mercaden verschwand dann die Unterführung. Am Rande bemerkt: Heute werden städtische Brunnen abgestellt, weil sie 1000 Euro Unterhalt jährlich kosten. Mittlerweile gibt es mehr Rolltreppen in der Innenstadt, als die bereits genannten – im Modehaus C & A und in der Buchhandlung Thalia am Markt. Bei Toom am Platz der Deutschen Einheit können die Kunden sogar ihren Einkaufswagen mitführen, wenn sie ins Obergeschoss gefahren werden, denn dort gibt es ein stufenloses Band, das aufwärts rollt.

In Deutschland gibt es rund 35.600 Rolltreppen

Ein „schräger Aufzug“ (d. i. Rolltreppe) – als möglicherweise erste solche Anlage in Kontinentaleuropa oder zumindest in Deutschland – ging kurz vor Weihnachten 1898 im Kaufhaus Polich in Leipzig in Betrieb. Eine Rolltreppe in der heute üblichen Ausführung mit bewegten Stufen wurde erstmals im Juli 1925 im Kölner Tietz-Warenhaus installiert, wohl die  erste Rolltreppe Deutschlands dieser Bauart und die zweite auf dem europäischen Festland. Übrigens gibt es die mit 137 Metern längste Rolltreppe in der U-Bahn von St. Petersburg (Russland). Die kürzeste Rolltreppe findet man im japanischen Kawasaki. Sie hat fünf Stufen und läuft über eine Distanz von 83 Zentimetern. Laut Schätzungen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau gab es 2017 in Deutschland rund 35.600 Rolltreppen.

Da fiel ihm die Pfeife aus dem Mund …

An ein Rolltreppen-Ereignis erinnert sich der Verfasser aus seiner Sturm- und Drangzeit, als er gerade so 18 Jahre alt war:  „Es war in München. Ich verließ am Stachus die Unterführung auf der Rolltreppe zur Brienner Straße und sah oben vier oder fünf Mädels auf der Treppen- brüstung beinebaumelnd sitzen, die ihre Bemerkungen über herauffahrende Jungs kichernd und lachend machten. Ich war damals Pfeifenraucher, rauchte aber nicht, holte sie aus der Tasche und tat nur so. In der Jackentasche klimperte ich mit Kleingeld. So fühlte ich mich als Mann von Welt. Als mich die Rolltreppe neben die Mädels gebracht hatte, sah ich zu ihnen und übersah das Ende Rolltreppe. Ich stolperte und machte ein paar zirkusreife Bewegungen, um das Gleichgewicht zu halten. Meine Pfeife fiel mir aus dem Mund und etwas Kleingeld klapperte auf das Pflaster. Doch viel lauter war das Gekicher der Mädels und ihre schadenfrohen Bemerkungen. Ich ließ alles liegen und verschwand mit rotem Kopf.“ – Und die Moral von der Geschicht? Aufpassen, denn jedes Jahr passieren auf Rolltreppen zwischen 900 und 1000 Unfälle, bei denen nicht nur Tabakpfeifen zu Bruch gehen.

Siehe auch: Rund um die Treppen: Märchenhaftes und Mörderisches, Historisches und Herrschaftliches, Filmisches und Philosophisches quer durch die Zeiten und Kunst-Epochen

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Quellen: Wolf Stegemann in RN vom November 1982. – Anke Klapsing-Reich/Benjamin Legrand in DZ vom 11. Juni 2018. – Wikipedia (Aufruf Rolltreppen, 2018).
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