Dorstener Politiker „sparen“ seit Jahrzehnten und stolpern meist hilflos von einer „angespannten“ Haushaltslage in die andere. Ein kommentierter Überblick

Von Wolf Stegemann

 „In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass alle Sparbemühungen und kreativen Lösungsvorschläge für unser Haushaltsproblem keinerlei positiven Effekt zeigen.“  Lambert Lütkenhorst 2005

Kürzlich meinte ein Finanzhistoriker in einem TV-Interview über das so genannte Sparen von Kommunen, Ländern und Bund, dass dies gar kein Sparen sei. Politiker würden ganz bewusst das Wort „sparen“ einsetzen, weil sie dadurch bei der Bevölkerung den Eindruck erwecken wollen, tatsächlich die Finanzkrisen der öffentlichen Haushalte durch Sparen in den Griff zu bekommen. Denn das Wort Sparen versteht jeder, der mit seinem Verdienst über die Runden kommen und auch mal sparen muss. Zudem vermittle das Wort Spar-Bemühungen eine hohe Seriosität und sei von gutem Willen besetzt. Doch Sparen, so der Finanzhistoriker, könne man nur von dem, was man hat, was man übrig hat. Das weiß jede Hausfrau. Was die Politiker mit Sparen bezeichnen, sei heute nichts anderes als eine Reduzierung der Neuverschuldung. Das sei kein Sparen. In einen Spar-Strumpf, den noch die Großeltern kannten, konnte man keine Schulden hineinlegen und sagen, man spare.

Da Bürgermeister und Ratsmitglieder das ihnen durch Steuern und Abgaben bereits übereignete Geld ausgegeben und dazu noch einen Berg von Schulden angehäuft haben, greifen sie zur Reduzierung dieses Schuldenberges noch mal kräftig in das Portemonnaie des Bürgers. Drastisch gesagt: „Die im Rathaus“ verfügen mit ihren Spar-Beschlüssen (Lütkenhorst: „Liste der Grausamkeiten“) über das Geld, das die Bürger noch in ihren Portemonnaies haben und nun der Stadtkasse übereignen müssen. Andere tun das auch: Land, Bund, Krankenkassen, Energieversorger, Tankstellen. Die viel gehörte Politiker-Aussage der Parteien vor Wahlen „Mehr Netto vom Brutto“ entpuppt sich (wieder mal) als uneinlösliches Versprechen.

Dorstener Finanzpolitik: Eine Krise folgte der anderen

Das Wort „Sparen“ zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des städtischen Haushalts und durch die Aufforderungen und Willensbekundungen der Kommunalpolitiker, gerichtet an die Presse und die Öffentlichkeit. Den immer wieder vorgetragenen Appellen zum „Sparen“, den „Gürtel enger zu ziehen“ und der Feststellung, die „Krise ist da“, folgten allerdings nur ganz selten entsprechende Taten. Meist blieb es bei Worten, die im Laufe des Immer-wieder-hörens zu Sprechblasen mutierten. Hier einige Beispiele der letzten Jahrzehnte – willkürlich herausgegriffen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

1952 – Kommunisten stimmten gegen neue Schulden

In der Sitzung des Stadtrates, die in der Holsterhausener Gaststätte Schmitz statt fand, wurde 1952 der Haushaltsplan der Stadt Dorsten mit der Mehrheit von CDU und SPD verabschiedet. Die Kommunistische Partei stimmte dagegen. Der Etat für 1952 wies bei Einnahmen von 3,47 Millionen DM bereits ein Defizit in Höhe von 569.000 DM auf. Amtskämmerer Wenke: „Es besteht die Hoffnung, dass der Fehlbedarf, wie das ja auch im Laufe des Jahres 1951 der Fall war, durch höhere Steuereinnahmen gedeckt werden kann.“

1963 – Land NRW sollte Schulden der Gemeinde Rhade tilgen

Die Gemeindevertretung von Rhade, damals noch selbstständige Gemeinde, stellte bei der Haushaltsverabschiedung für 1964 in der Gastwirtschaft Roß/Finke bei 503.000 DM Einnahmen und 554.700 DM Ausgaben einen Fehlbedarf von 51.7oo DM fest. Amtskämmerer Schwingenheuer beklagte, dass die Gemeinde fast die Hälfte aller Einnahmen als Umlage an das Amt Hervest-Dorsten und den Kreis Recklinghausen zahlen müsse. In den letzten sieben Jahren war ein Fehlbetrag von rund 140.000 DM entstanden, der auch in das Jahr 1964 „mitgeschleppt“ werden musste, da am Haushalt keine Streichungen vorgenommen wurden. Der Gemeinderat appellierte an das Land NRW, den finanzschwächsten Gemeinden den „alten Zopf abzuschneiden“ (gemeint die mitgeschleppten Schulden).

1972 – Nach Fehlbetrag eine erfreuliche Bilanz der Gemeinde Wulfen

Die noch selbstständige Gemeinde Wulfen legte die Haushaltrechnung für 1971 vor: Der Haushalt war zu Jahresbeginn mit einem Fehlbedarf von 208.000 DM verabschiedet und dieser dann durch Nachträge reduziert worden. Schließlich überstiegen zum Jahresende die Einnahmen die Ausgaben mit einem Überschuss von 85.000 DM.

Hans Lampen (CDU), Bürgermeister von 1964 bis 1984

1974 – Höhere Steuern in der Krise ist der falsche Weg

Die Ruhr-Nachrichten titelten am 23. Januar 1974: „Steuererhöhungen in Dorsten sollen mehr Geld in das Stadtsäckel bringen.“ Um das Defizit im Haushalt auszugleichen, sollten die Hebesätze für die Gewerbesteuer von 240 auf 280 und für die Lohnsummensteuer von 960 auf 1.040 Punkte angehoben werden. Das würde 1 Million DM in die Kassen der Stadt spülen. Der Bundesvorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung Egon Lampersbach (CDU-MdB) sagte dazu in Dorsten: Geldabschöpfung durch höhere Steuern sei angesichts der angespannten Wirtschaftslage der falsche Weg. Seinen Parteikollegen schrieb er ins Stammbuch: „Wenn man mit dem Geld nicht auskommt, liegt das vielleicht an gewaltigen Stellenausweitungen“ (im öffentlichen Dienst).

1977 – Zurückhaltend die angespannte Finanzlage erklärt

Der stellvertretende Bürgermeister Bernhard Loick und Stadtdirektor Dr. Zahn schrieben in ihrem Neujahrswunsch zur Jahreswende 1977/78 an die Bürger: „Die angespannte Finanzlage zwingt derzeit zu äußerster Sparsamkeit im Umgang mit öffentlichen Mitteln. Auf Grund dieser Tatsache ist es nicht möglich, alle wünschenswerten Maßnahmen zu realisieren.“

Die teuerste Rolltreppe in Dorsten

1981 –Teuerste Rolltreppe trotz Finanzklemme

Obwohl 1981 die Finanzlage der Stadt immer noch oder schon wieder angespannt war und Politiker darauf hinwiesen, leisteten sie sich die „teuerste Rolltreppe“ der Stadt im so genannten Wilma-Zentrum (Lippetor-Center). Sie war vielen Ratsmitgliedern, die sie zuvor genehmigt hatten, deswegen ein „Dorn im Auge“, wie die „Ruhr-Nachrichten“ berichteten, weil sie jährlich 20.000 DM verschlang. Während der Bauausschuss nach Fertigstellung und Betrieb wieder für den Abbau der häufig defekten Treppe plädierte, meinte die Verwaltung zur Treppe: „Weiterlaufen lassen ist billiger!“ – Diese Argumentation hört man heute wieder bei der Frage, ob das Spaßbad „Atlantis“ geschlossen werden sollte oder nicht!

 

1984 – Bund löst Finanzprobleme auf Kosten der Kommunen

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Franz-Josef Mertens (SPD), der nach dem Weggang des Dorstener MdB Dr. Ulrich Steger auch Dorsten mitbetreute, sagte im Bundestag zur finanziellen Lage der Städte, Gemeinden und Kreise im Ruhrgebiet: „Nicht erst seit heute versucht der Bund seine Probleme auf Kosten der Gemeinden zu lösen. Der Vorwurf des Verschiebebahnhofs lässt sich nicht trennscharf entlang der Parteigrenzen erheben  … Die kommunalen Finanzen werden heute von zwei Seiten in die Zange genommen, von der Einnahmen- und Ausgabenseite her … Die Bundesrepublik hat noch nie eine so massive Kostenumwälzung vom Bund auf die Kommunen erlebt, wie im Bereich der sozialen Sicherung.“ In der kommunalen Finanzausstattung sei eine Schieflage entstanden. In den Kohle- und Stahlstandorten bestünden die größten Finanzprobleme. – Heute, 18 Jahre später, sind Bundespolitiker wieder kräftig dabei, auf Kosten der Gemeinde vor den Kameras zu prahlen: „Deutschland geht es gut!“ Und den Kommunen?

Um die gleiche Zeit des Jahres 1984 musste der Kämmerer eingestehen, dass die Stadt ihren Kassenkredit in nur drei Monaten um eine viertel Million DM überzogen hatte. Repräsentationskosten (34.000) wurden um 7.800 DM überzogen, Ratsmitglieder wurden bei Ratssitzungen kostenlos mit Getränken versorgt. Sie tranken um 500 DM mehr als sie für 4.000 DM gedurft hätten, in ihren privaten PKW verfuhren sie 9.930 DM mehr als mit 110.000 DM vorgesehen. In die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt wurde ebenfalls mehr Geld gesteckt, als der Rat genehmigt hatte: nämlich 16.300 DM mehr als die vorgesehenen 35.000 DM. – Heute sieht das anders aus. Alle Ausgaben über 60 Euro müssen genehmigt werden.

1985 – Spar-Appelle an die anderen Fraktionen

Die Stadt kam mit dem Haushalt für 1985 nicht zurecht. Es öffnete sich ein Finanzloch in Höhe von 5 Millionen DM, das mittels Nachtragshaushalt im August 1985 durch Schuldenaufnahme gestopft wurde. SPD und Grüne stimmten für die Neuverschuldung, die CDU trug den Beschluss nicht mit. Unmittelbar nachdem sie der Neuverschuldung zugestimmt hatten, richteten die Ratsvertreter der Grünen in derselben Sitzung im Vorgriff auf die Haushaltsberatung für 1986 Spar-Appelle an die anderen Fraktionen!

Im selben Jahr schaffte die rot-grüne Ratsmehrheit einen Bücherbus an, um die Einwohner der weiter entfernt liegenden Stadtteile mit Büchern und Medien der Stadtbibliothek zu versorgen. Obwohl der damalige Stadtkämmerer Dr. Willamowski vor der Anschaffung in der Ratssitzung und in der Öffentlichkeit warnte, die Kosten seien für Dorsten zu hoch und die Stadt könne sich wegen der Haushaltslage diesen Bus nicht leisten, stimmte die Ratsmehrheit für die Anschaffung. 1997 wurde der Bücherbus aus Kostengründen wieder außer Betrieb gesetzt und verkauft.

Heinz Ritter (SPD), Bürgermeister von 1984 bis 1895; Foto: Ralph Pieper

1986 – Finanzgutachten fordert Einschränkung der Kreditaufnahmen

In einem 19 Seiten starken Papier, dem umfangreiche Recherchen vorangingen, legte der Bund der Steuerzahler eine Analyse über die Haushaltspolitik der Stadt Dorsten vor. Adressat waren Politik, Verwaltung und Bürger. Credo des Verfassers: „Man kann nur das ausgeben, was man hat.“ Beschrieben wurden die finanzwirtschaftliche Situation der Stadt von 1980 vorausschauend bis 1989 sowie die Ausgaben- und Steuerpolitik. Zudem gab es Denkanstöße für Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung. „Es muss gespart werden“, lautete die Devise des kritischen Steuerzahler-Bundes. Angesichts der Zunahme der Pro-Kopf-Verschuldung (1986 noch 2.224 DM, Ende 2011: 4.081 Euro) müsse die Stadt in den kommenden Jahren Einsparungen vornehmen und Kreditaufnahmen einschränken. Vor allem stiegen in Dorsten die Personalausgaben. Während andere Städte durchschnittlich eine Erhöhung von 1,8 Prozent hatten, stiegen in Dorsten die Personalausgaben um 7,3 Prozent. – Für die Zukunft müsse sich die Stadt bei Haushaltsplanungen auf bundesweite Reformen des Steuerrechts einstellen und unbedingt ein finanzielles Polster bilden. Weit über dem Bundesdurchschnitt lagen die Zuschüsse für Volkshochschule, Bibliothek und Musikschule mit 31,67 DM pro Einwohner. Vergleichbare Städte zahlten nur 20,88 DM. Dieser Abstand belastete die Stadt mit Mehrausgaben von 750.000 DM.

1993 – Sparpläne der CDU mit positivem Ergebnis: Ratsmitglieder erhalten weniger Aufwandsentschädigungen

Friedhelm Fragemann (SPD), “Winter”-Bürgermeister 1994/95

Zum Dorstener Haushalt 1994 reichte die CDU im Dezember 1993 Sparvorschläge ein: Vor allem in den Bereichen Rat und Kindergärten sollte gespart werden: 600.000 DM  jährlich durch „bedarfsgerechte Personalausstattung für die Betreuung der Kinder an Nachmittagen auch in den Kindergärten freier Träger“. Katholische Kindergärten hätten sich dazu bereits positiv geäußert. Zum anderen sollte die Aufwandsentschädigung der Ratsmitglieder gekürzt, ihre Arbeit gestrafft und die Ausschüsse verkleinert werden. Daraufhin verzichteten die Ratsmitglieder auf zehn Prozent ihrer Aufwandsentschädigung.

1994 – In angespannter Haushaltslage: Selbstbedienung nach der Wahl

Die Stadt verringerte im Oktober 1994 die Fraktionszahl von fünf auf drei. Dadurch wurde den Stadtsäckel um 60.000 DM entlastet. Auf der anderen Seite mussten sie die  Aufwandsentschädigungen für die Ratsmitglieder auf Veranlassung des Landes erhöhen,  so dass unterm Strich Mehrausgaben von 80.000 DM entstanden. Ein Jahr zuvor hatten die Dorstener Ratsmitglieder auf Grund der angespannten Haushaltslage freiwillig auf rund 10 Prozent der Aufwandsentschädigung verzichtet. Die neuerliche Erhöhung der Aufwandsentschädigung kostete, weil niemand mehr freiwillig verzichtete, rund 20 Prozent Mehrausgaben. Damals stiegen die monatlichen Aufwandentschädigungen für Ratsmitglieder auf 562 DM (in Raesfeld und Schermbeck auf 310 DM). Auch wurde der Fahrtkostenersatz im eigenen PKW für erforderliche „Dienstfahrten“ kräftig erhöht. Ratsmitglieder in „herausragenden Funktionen“ erhielten damals zusätzliche Entschädigungspauschalen in Höhe mehrfacher Monatspauschalen: Der Bürgermeister das Fünffache, sein Stellvertreter das Dreifache, weitere Stellvertreter das Eineinhalbfache, die Fraktionsvorsitzenden (mit mehr als zehn Mitgliedern) das Dreifache und jeder Stellvertreter das Einfache. – Übrigens wurden diese Erhöhungen nur wenige Tage nach der Kommunalwahl beschlossen; vorher war darüber in der Öffentlichkeit keine Rede davon. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Dr. Karl-Christian Zahn (CDU), Stadtdirektor von 1971 bis 1995; Bürgermeister von 1995 bis 1999

1998 – Haushaltssicherungskonzept zwingt zum Sparen

Am 30. September 1998 wurde der Doppelhaushalt 1999/2000 in den Rat eingebracht. Auch hier stand das Sparen im Schwerpunkt finanzpolitischer Überlegungen von Verwaltung und  Rat. Nach dem inzwischen verfügten Haushaltssicherungskonzept mussten angelaufene Schulden bis 2004 ohne weitere Verlängerungsmöglichkeiten ausgeglichen sein. Die Kommunalaufsicht signalisierte, dass, sollte Dorsten dies nicht einhalten (wollen), die zur Verabschiedung anstehenden Haushalte nicht genehmigt werden würden. Eine konsequente Haushaltssicherung, so der Stadtkämmerer Klink, stoße an ihre Grenzen. Einerseits spare die Stadt erfolgreich bei den Personalkosten, andererseits könnten diese nicht beliebig reduziert werden. – Zu dem Vorhalt aus der Bürgerschaft, dass es zwar genügend Dienstleistungs- und Vergnügungsgeschäfte in der Stadt gebe, aber keine Ansiedlung von Industrie, die durch Produktion Arbeitsplätze schaffe und Steuereinnahmen bringe, meinte Bürgermeister Dr. Zahn: „Ich habe im Augenblick keine Nachfrage nach Industrieansiedlungen, obwohl Flächen vorhanden sind.“ Das läge an der Investitionsschwäche der gesamten Region. Die „Dorstener Zeitung“ orakelte: „Die Notwendigkeiten des Sparzwangs berühren neben Schülern und Lehrern der Gesamtschule Wulfen, die in einem Gebäude mit 16 Millionen DM anstehende Reparaturkosten irgendwie zurechtkommen müssen, bald alle Bürger der Stadt.“

1999 – Restriktionen sind schrecklich

Als Bürgermeister Dr. Zahn 1999 sein Amt an Lambert Lütkenhorst übergab, sagte er: „Angesichts der Finanzlage der Stadt bemitleide ich Herrn Lütkenhorst. Jetzt diese Restriktionen. Das ist schrecklich.“ Lambert Lütkenhorst nahm sich das vor 13 Jahren offensichtlich nicht voll zu Herzen. Die Kassenkredite der Stadt stiegen in den 13 Jahren seiner Amtszeit von 20 auf 200 Millionen Euro. (Euro!).

2001 – Wasser der Brunnen wurde abgestellt

Doch sollte man nicht sagen, die Stadt spare nicht. Auch im Dorstener Jubiläumsjahr 2001 wurde das Sprudeln der Dorstener Brunnen erst zum Altstadtfest wieder in Gang gesetzt. Das Abdrehen des Wassers ersparte rund 800 DM im Monat. Wenn die Brunnen dennoch weitersprudelten, dann aufgrund von privaten Patenschaften.

2005 – Mit dem Spaßbad weiter in die Misere gerutscht

Aus der Haushaltsrede von Lambert Lütkenhorst 2005: „In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass alle Sparbemühungen und kreativen Lösungsvorschläge für unser Haushaltsproblem keinerlei positiven Effekt zeigen. Und das, obwohl sich die Stadt Dorsten seit Jahren in einer Haushaltskonsolidierung befindet … und ohne genehmigten Haushalt unter dem Diktat des § 81 nur die wirklich allerdringendesten Ausgaben getätigt hat …“ Und weiter sagte er: „Es muss eigentlich mittlerweile allen Mitgliedern des Rates und der Verwaltung klar sein, dass wir als Stadt so nicht weiterwirtschaften können…“ – Zusammengenommen mit der eingangs als Zitat verwendeten Aussage könnte man hier ein Eingeständnis des Scheiterns seiner bisherigen Finanzpolitik sehen.

Lambert Lütkenhorst (CDU), Bürgermeister ab 1999

2012 – Lambert Lütkenhorst: „Jetzt ist Schluss mit lustig!“

Am 22. Februar 2012 sagte Bürgermeister Lambert Lütkenhorst beim „Politischen Aschermittwoch“  der CDU im Saal von Maas-Timpert etwas flapsig zur ernsten Haushaltslage: „Jetzt ist Schluss mit lustig!“ Zu den durch das Stärkungspakt-Gesetz des Landes von der Stadt geforderten Einsparungen in Höhe von 25 Millionen Euro bis 2016 meinte er: „Daran führt diesmal kein Weg vorbei!“
Auf die selbstgestellte Frage, ob die Stadt angesichts dieses Weges nun Opfer der Täter sei, sagte er: „Fakt ist: Wir haben Beihilfe geleistet und über unsere Verhältnisse gelebt!“

Hoppla! Wer hat über die Verhältnisse gelebt? Wir? Wer ist denn „Wir“? Da man annehmen darf, dass Lambert Lütkenhorst mit „wir“ in der CDU-Veranstaltung nicht seine Parteifreunde gemeint hatte, sind es wohl die Bürger, denen er den Vorwurf machte, dass sie in Saus und Braus gelebt hätten. Frage an den Bürgermeister: Leben die Rentner über ihre Verhältnisse? Vielleicht die allein erziehende Verkäuferin? Oder Familien mit Kindern und einem Verdiener? Meint er die Arbeitslosen oder sogar Studenten und  Schüler? Die Harz IV-Empfänger und die, deren Arbeitslöhne durch Harz IV aufgestockt werden müssen? Oder wer ist mit „Wir“ gemeint?

Oder ist die städtische Verwaltung gemeint, die nach den Worten des Bürgermeisters immer wieder Wege gefunden hat, an Einsparungen vorbeizuschlittern? „Diesmal“ sagte er, führe kein Weg am Sparen vorbei!

Denn jetzt ist Dorsten gezwungen, die Neuverschuldung erst auf Null zu bringen und dann den Schuldenberg abzutragen. Die überaus angespannte Haushaltslage, 2005 bereits beklagt, wurde noch weiter durch die Insolvenz des Investors des „Atlantis“-Bades verschärft. An der Misere ist die politische Führung nicht schuldlos. Sie hat einem Vertrag und daraus resultierenden Kosten zugestimmt, die der Stadt  auf lange Zeit am Bein hängen bleiben werden (Inanspruchnahme der Bürgschaft sowie Ablösung der Grundschuld). Bis heute ist „Atlantis“ ein Becken ohne Boden geblieben und wird es bleiben, in das die Stadt Jahr für Jahr ohne Aussicht auf Besserung Geld versenkt. Es sei denn, sie macht den radikalen Schnitt der Schließung und Weggabe zur Fremdnutzung. Dann würde sie nur einen Teil des Geldes versenken.

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Quellen: Dorstener Volkszeitung vom 13. September 1972 – Ruhr-Nachrichten (RN) vom 23. Januar 1974 – Silvester-Ausgabe 1977 der RN. – RN vom 11. Mai 1984 – RN vom 16. November 1984 – RN vom 21. August 1985. – RN vom 30. Oktober 1986 – RN vom 23. Dezember 1993. – RN vom 22. Oktober 1994. – Dorstener Zeitung (DZ) vom 26. März 2001 – D Z vom 25. Februar 2005. – DZ vom 23. Februar 2012.

 

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Ein Kommentar zu Dorstener Politiker „sparen“ seit Jahrzehnten und stolpern meist hilflos von einer „angespannten“ Haushaltslage in die andere. Ein kommentierter Überblick

  1. Marco Hermanns sagt:

    Super informativ diese Seite hier.Ich bin begeistert. Und wie oben schon geschrieben steht: “Doch Sparen, so der Finanzhistoriker, könne man nur von dem, was man hat, was man übrig hat.”
    Wie bei allen Steuern, warum sparen, einfach erhöhen!!! “Erspart” das Kopfzerbrechen, vernünftige, für alle angenehme Lösungen zu finden. Aber das wäre für die Beamten zu anstrengend!!!
    Ja klar zahlen die auch Steuern, können aber Ihre Aufwandsentschädigung etc. im Gegenzug erhöhen. Welcher “normale” Arbeitnehmer kann sich seinen Lohn selbst erhöhen?

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