Von Wolf Stegemann
Soll man alles glauben, was in den Zeitungen steht oder im Rundfunk oder Fernsehen ausgestrahlt wird? Nach Lektüre dieses Artikels kann sich der geneigte Leser die Frage selbst beantworten.
Die Ankündigung in einer Sendung des WDR-Fernsehens Köln vom 6. Mai 1984, dass in Schloss Lembeck Zweitages-Kurse für Ehefrauen müder Männer für runde 438 Mark abgehalten würden, entpuppte sich als ein Windei. „Alles erlogen und erfunden”, meinte seinerzeit Josef Selting vom Schlosshotel Lembeck, der danach Mühe hatte, interessierte Ehefrauen, die ihre ehemüden Männer aufmöbeln wollten, am Telefon abzuwimmeln.
Der pfiffige Entertainer Jürgen von der Lippe stellte in seiner Sendung „So isses – Leben live“ eine langhaarige Dame aus Flensburg vor, Rosita Niessen, die mitteilte, dass sie vernachlässigten Ehefrauen von Managern praktische Tipps geben könne, wie müde Männer wieder kräftig werden. Sie sagte live im Fernsehen: „Ich mach’ alles, was hilft!“ Einige Praktiken verriet sie via Bildschirm: Ein heißes, feuchtes Handtuch soll zumindest zu zweimaligem Vergnügen verhelfen oder Kaltluft mittels Fön und auch Pfauenfedergekitzel sei sehr hilfreich. Mehr mochte sie nicht verraten, nur noch den Ort des zweitägigen Vergnügungs-Lehrgangs: Schlosshotel Lembeck.
TV-Macher mussten sich für ihren Reinfall entschuldigen
Die Örtlichkeiten kannte die hilfswillige Dame genau. Dazu Schlosshotel-Inhaber Josef Selting damals: „Sie fragte an, ob sie im Schlosshotel ein Seminar über Verkaufspsychologie abhalten könne.“ Die Antwort, so Selting, blieb er ihr aber schuldig, denn Selting: „Zu keiner Zeit werden solche Seminare im Schlosshotel abgehalten.“
Selting beantragte gegen das Westdeutsche Fernsehen eine „Einstweilige Verfügung“. Doch damit hatte Selting kein Glück. Denn bei Live-Sendungen sind einstweilige Verfügungen nicht möglich. Selting war sauer, denn er musste die falsche Behauptung hinnehmen, dass in seinem Hotel erotische Kurse stattgefunden hätten und stattfinden.
Der damals zuständige Redakteur beim WDR, Bleicherbach, zeigte sich überrascht davon, dass das Schlosshotel Lembeck nicht Austragungsort erotischer Vergnügungen ist. Damals sagte er am Telefon: „Das behauptete Frau Niessen, nicht wir.“ Auch deshalb war die Einstweilige Verfügung des Hotelpächters gegen das Fernsehen an die falsche Hausnummer gerichtet, meinte Bleicherbach. In der darauf folgenden „So isses“-Sendung mussten die WDR-Macher ihre Peinlichkeit richtig stellen.
Es blieb danach die Frage, wie das Fernsehen und Jürgen von der Lippe zu dieser unlauteren Interviewpartnerin kamen und wie sie solche Unwahrheiten in „So isses“ ungeprüft behaupten. Der Sender wurde durch einen Artikel in der Kölner Zeitung „Express“ auf die Aktivitäten von Rosita Niessen aufmerksam. Die dort geschriebenen Behauptungen wurden ungeprüft für wahr gehalten. Eine Einladung der Dame ins Studio folgte, die Fernseh-Leute fanden die Story gut, recherchierten (wohl nicht an der richtigen Stelle), machten Probeaufnahmen und die Sendung lief. Zum Nachweis des Ortes für erotische Lehrgänge legte Rosita Niessen dem WDR-Redakteur lediglich eine Ansichtskarte von Schloss Lembeck vor und erklärte, dass dort, im schönen Ambiente des Schlosses, ihre Seminare bereits stattfänden. Jürgen von der Lippes „So isses“ hätte heißen sollen „So isses nich!“ – Übrigens ging dieser Fall in die Annalen der Journalistenschule „Haus Busch“ ein, wo angehende Redakteure an diesem Beispiel lernten, wie wichtig eine ordentliche Recherche ist. – Auf die eingangs gestellte Frage zurückkommend: Solche Patzer bleiben Ausnahmen!